Wie sieht die Ernährung der Zukunft aus?

Trends auf dem Teller
In Zeiten von Social Media steht Selbstoptimierung bei den jüngeren Generationen hoch im Kurs. Wer gesund lebt und sich ausgewogen ernährt, der sieht auch super aus - so die Logik hinter dem Phänomen. Trendforscher Tristan Horx ist überzeugt, dass hinter dem Streben nach einem gesunden Lifestyle längst nicht mehr nur das Bedürfnis nach Anerkennung steht. In einer neuen Podcast-Folge der Initiative Milch erklärt er, welche Trends heute und in Zukunft unser Verhältnis zur Ernährung prägen werden. Hintergrund ist ein neuer Trendreport, den Horx und sein Team erstellt haben. "Der größte Trend ist vermutlich ein neues Verständnis von Ernährung insgesamt, welches das Wohl des Planeten mit dem individuellen Wohl verknüpft", betont er im Interview.
Tristan Horx: Ungefähr die Hälfte der Verbraucherinnen und Verbraucher greift mindestens hin und wieder zu pflanzlichen Alternativen. Der Trend zu plant based ist nicht neu und wird uns noch lange begleiten. Aber das Geschmacksprofil und die Konsistenz von Käse beispielsweise sind nicht leicht zu knacken - mit tausenden Jahren Erfahrung bei den Käsekulturen hat das klassische Milchprodukt hier einen Vorteil. Außerdem sind Milchprodukte ein wichtiger Teil unserer gastronomischen und kulinarischen Kultur.
Horx: Das hängt unter anderem mit dem Fitness-Hype zusammen. Fitness ist gesellschaftlich relevant wie nie ... und hier kommt der Protein-Boom ins Spiel. Proteine sind die neuen Carbs: Sie sind wichtig für Muskelaufbau, Fettabbau - also alles, was viele Menschen sich wünschen. Quark, Skyr und Co. werden von vielen Menschen als interessante Proteinquellen gesehen.
Horx: Ältere sind genauso an Gesundheitsthemen interessiert wie Jüngere - nur eben anders. Es geht hier weniger um die "30 vegan fitness challenge" und die perfekten Bauchmuskeln, sondern mehr um Gesunderhaltung, Prävention und - je älter das Publikum - natürliche Beschwerden. Allerdings reisen ältere Generationen nicht so viel wie jüngere, sind weniger in internationalen Medien unterwegs und haben weniger Berührungspunkte mit Lebensmitteln aus anderen Kulturen. Überraschenderweise ist der wichtigste Wert für die Gen Z laut Umfragen die Gesundheit. Es geht also sehr früh los mit dem gesunden Leben.
Horx: Nachhaltigkeit, Tierwohl, Planetary Health... der größte Trend ist vermutlich ein neues Verständnis von Ernährung insgesamt, welches das Wohl des Planeten mit dem individuellen Wohl verknüpft. Das hat viele Dimensionen: gesunde Umgebung, gesunde Luft in der Stadt, Gesundheit am Arbeitsplatz. In diesem Zusammenhang wächst bei Verbraucherinnen und Verbraucher der Wunsch nach Transparenz. Das betrifft fast alle Bereiche der Foodbranche. Im privaten Bereich gibt es inzwischen viele Apps, die beim Besuch im Supermarkt aufklären.
Horx: Der Zugang zu Informationen ist so niedrigschwellig wie nie. Die neue Transparenz hat Folgen: Man weiß viel mehr als früher über die Produktionsbedingungen. Das Gewissen und der soziale Druck beeinflussen Konsumentscheidungen stärker als noch vor einigen Jahren. Fridays for Future war ein interessanter Wendepunkt. Seitdem ist das Thema Verantwortung ganz groß und wird immer mitgedacht.
Horx: Eine riesige Rolle! Wir wollen einerseits Produkte aus der Umgebung, am besten den Bauern beim Vornamen kennen und eine Webcam im Hühnerstall. Das gibt uns ein gutes Gefühl. Viele Menschen zieht es wieder auf Wochen- oder Bauernmärkte mit lokalen Produkten. Andererseits sind wir so international wie noch nie, die Begeisterung für fremde Küchen und Lebensmittel ist enorm. Die Zukunft liegt in der Synthese: das Lokale mit dem Globalen fusionieren. Wir nennen das Glokalisierung. Regionaler Bio-Joghurt plus exotische Zutat wird zum Mango Lassi.
Horx: Der Einfluss ist nicht zu unterschätzen: Kritische Konsumentinnen und Konsumenten sorgen für viel Veränderung. Unternehmen haben die berechtigte Angst, bei Greenwashing und halbherzigen Initiativen am Pranger zu stehen. Aber der größere Hebel ist ganz klar die Politik. Die Wirtschaft ist der Politik hier voraus. Zum Beispiel der Handel: Die Discounter haben längst eigene Gesundheits- und Tierwohl-Siegel. Die Politik hinkt hinterher, Bedingungen für Landwirtinnen und Landwirte zu schaffen, damit sie nachhaltige und zukunftsfähige Konzepte umsetzen können.
Horx: Ein wichtiger Trend ist der zu mehr Transparenz: über Herstellungsbedingungen (fairer & ethischer), Inhaltsstoffe (cleaner) oder die gesundheitliche Wirkung. Hier sind neue Label, Apps und Bewertungsportale zu erwarten, die auf diesen Wunsch der Verbraucherinnen und Verbraucher antworten. Die andauernde Individualisierung ebnet einer weiteren Ausdifferenzierung des Angebots und mehr personalisierten Angeboten den Weg und sorgt für immer neue Mikro-Trends. Gleichzeitig werden Milchprodukte weiter Alltag bleiben. Gerade wenn sich viel verändert, tendieren Menschen dazu, auf Routinen zurückzugreifen. Der Hype um Haferbrei ist ein Beispiel dafür, wie ein Trend eigentlich ein Rückgriff auf etwas Altbekanntes sein kann.
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