Team Wallraff: Undercover im Pflegehaus Kreuzberg der Marseille Kliniken AG

Die „Team Wallraff“-Reporterin startet einen weiteren Versuch diesmal im Pflegehaus Kreuzberg in Berlin, eine Einrichtung der Marseille Kliniken AG. Mit fast 60 Einrichtungen und über 4500 Mitarbeitern gehört sie zu den größten börsennotierten Anbietern in Deutschland. 11 Millionen Gewinn machte die AG im letzten Jahr, geriet aber auch immer wieder in die Schlagzeilen und musste in 2013 zwei Heime bei Düsseldorf wegen gravierender Mängel schließen.

Der medizinische Dienst der Krankenkassen bewertet dieses Haus mit der Note 1,3. Erneut als Praktikantin getarnt, musste Osterhaus nicht lange suchen: Die Pfleger sind auch hier unter ständigem Zeitdruck, die Zimmer teilweise verwahrlost. Es stehen offenbar zu wenige WCs und Duschen für die Bewohner zur Verfügung. In vielen Räumen findet die Reporterin Wasser- und Schimmelflecke sowie undichte Fenster vor.

Wehrlose alte Damen müssen sich den Flur mit randalierenden Alkoholikern teilen. Das Credo des Hauses: Vollbelegung! Osterhaus: „Es gab teilweise keine Waschlappen, so dass wir die Bewohner mit dem Kissenbezug abtrocknen mussten.“

Sozialwissenschaftler Prof. Stephan Sell weiß längst: „Schlechte Pflege lohnt sich betriebswirtschaftlich.“

Schließlich dokumentiert die Reporterin, wie der Ausbruch des Norovirus, eine hochansteckende Darmerkrankung, die für alte und kranke Menschen lebensbedrohlich sein kann, verheimlicht werden soll. „Die Zimmer der betroffenen Patienten wurden erst einmal nicht gekennzeichnet und laut Aussage einiger Pfleger hatte der zuständige Arzt empfohlen, entsprechende Zimmer einfach abzusperren. Gemeldet wurde der meldepflichtigen Virus dem Gesundheitsamt jedoch nicht “, so Osterhaus. Erst als die Heimaufsicht zur Kontrolle kommt, werden schnell einige Maßnahmen ergriffen. Wie der eigentlich unangemeldete Besuch jedoch bekannt wurde, bleibt offen.

In der anschließenden Stellungnahme weist die Heimaufsicht alle Kritikpunkte zurück und verweist bezüglich der hygienischen Mängel auf das Gesundheitsamt, das dazu informiert sei. Auch die Marseille Kliniken AG weist alle Vorwürfe von sich: „Die Information über einen angeblichen Norovirus-Ausbruch in unserer Einrichtung sind falsch. (…) Auch sind Ihre Informationen über bauliche und gesundheitsgefährdende Mängel im Haus unzutreffend.“

„In diesem System sind alle Opfer. Pfleger müssen vor Überforderung geschützt werden und Pflegebedürftige vor überfordertem Personal“, so das Fazit von Pia Osterhaus. „Der Beruf des Pflegers ist physisch und psychisch sehr anspruchsvoll. Ich habe großen Respekt davor, wie viele Pfleger, trotz schwerer Bedingungen, mit viel Herz, Geduld und Liebe ihren Job ausüben.“