Fans dürfen sich gleich doppelt freuen
VNV-Nation-Frontmann Ronan Harris verrät Pläne für neue Alben

Die Wut musste raus ...
… und Ronan Harris hat sie genutzt, um Stücke zu schreiben, die er immer mal schreiben wollte. Im Interview mit RTL verrät der Frontmann von VNV Nation, dass sich seine Fans demnächst nicht nur auf neue Musik freuen dürfen, sondern auch auf ganz neue Klänge ihrer Lieblingsband.
In Amerika wächst eine neue VNV-Nation-Generation heran
Gerade erst liegt eine erfolgreiche Nordamerika-Tour hinter ihm, da sind schon die ersten Konzerte seiner Klassik-Tour mit der Philharmonie Leipzig gestartet. VNV-Nation-Frontmann Ronan Harris gönnt sich keine Pause. Vor seinem Auftritt im Berliner Admiralspalast nimmt er sich trotzdem die Zeit, ausführlich über seine Liebe zu klassischer Musik, Fankritik und zwei große musikalische Projekte, die demnächst ins Haus stehen, zu sprechen.
Erst USA, jetzt die Tour mit der Philharmonie Leipzig: Wie aufregend waren die letzten Wochen für dich?
Ronan Harris: Es war sehr stressig, aber auch produktiv. Aber die US-Konzerte waren wunderbar. Die Reaktionen der Fans waren einfach sehr schön. Songs wie „Illusion“ bedeuten vielen Fans sehr, sehr viel, nochmal anders als in Europa. Ich habe einfach pure Freude und Befreiung im Publikum gespürt.
Die Fans sind nicht mehr so jung wie früher, als wir zum ersten Mal in Amerika getourt sind. Sie sind inzwischen älter und reifer und benehmen sich nicht mehr wie 20-Jährige. Aber dann gibt es noch eine ganz neue Generation junger Leute, die im Alter zwischen 17 und 25 Jahren zu unseren Konzerten kommen, was unglaublich ist. Ich habe sie gefragt, warum. Und sie antworten, dass VNV Nation zu hören sich so anfühlt, als gäbe es eine Stimme, die sagt, wie sie sich fühlen. Weil es so klingt, als hätte ich das durchgemacht, was sie gerade durchmachen. Das hat mich wirklich schwer berührt. Sie erzählten mir die persönlichsten Dinge, die sie ihren Freunden nie erzählen können, aber sie erzählen sie mir, weil ich einen Song geschrieben habe, der ihnen ein bestimmtes Gefühl geschenkt hat.Und ich habe ihnen geantwortet: „Ich habe nichts für dich getan, außer dir die richtigen Worte in den Kopf zu pflanzen, als du sie gebraucht hast.“
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Ronan Harris träumt von eigenem Musikprojekt unter seinem Namen
Du hast dir zwischen der Amerika-Tour und dem Beginn der Klassik-Konzerte kaum Zeit zum Durchatmen genommen. Hattest du überhaupt Zeit zum Proben?
Nicht wirklich. Ich bin quasi nachmittags in Leipzig angekommen und wir haben einen halben Song gespielt, um das Gefühl wiederzubekommen. Aber ich habe mit dem Orchester (Philharmonie Leipzig, Anm.d.Red.) ja zuvor schon gespielt. Und ich bin zuletzt bei einem ihrer Konzerte im Kupfersaal hinzugestoßen, wo wir den Song „Resolution“ zusammen performt haben. Das Publikum dort hatte keine Ahnung, wer Ronan Harris oder VNV Nation ist. Dabei ist mir klar geworden, dass es toll wäre, ein eigenes Musikprojekt nur unter meinem Namen zu haben. Ich hätte wirklich gerne ein Parallel-Projekt, wo ich diese Art von Musik machen kann. Das Publikum bei diesem Konzert war aus allen Altersgruppen zusammengesetzt und liebte den Song. Alle wollten wissen, wo sie mehr davon hören können. Da wurde mir klar, dass ich eine große Menge neuer Menschen mit den klassischen Versionen meiner Songs erreichen kann. Es ist nicht kommerziell, es ist nicht Pop, es geht nicht darum, was sich gut verkauft, es wäre einfach etwas Eigenes zu meinen Bedingungen. Das wäre spektakulär! Ich liebe es wirklich, mit diesen klassischen Musikern zu arbeiten, die das ihr ganzes Leben schon gelernt haben, und gemeinsam etwas Neues zu erschaffen.
Ich habe so viel Musik geschrieben, die ich nie veröffentlicht habe. Ganze Ordner mit den verschiedensten Genres. Ich weiß nicht, was ich damit machen soll. Ich müsste sie unter anderem Namen veröffentlichen. Allein in dem Klassik-Ordner habe ich über 15 Klavierstücke, drei Ouvertüren, ein Concerto, die ich geschrieben und nie veröffentlicht habe. (…) Ich brauche die Bestätigung von jemandem, der mir gar nicht mal sagt, dass das gut ist, sondern „Du kannst damit etwas machen“. Ich bin immer zu sehr darauf konzentriert, was ich mit VNV Nation mache.
Aber, keine Sorge, ich werde die neuen Arrangements aufnehmen und ein weiteres Album wie „Resonance“ (das erste klassische Album von „VNV Nation“, Anmerk.d.Red.) veröffentlichen. Beim Titel bin ich mir aber noch nicht ganz sicher. Ich will es größer und besser haben. Ich habe für zwei Stücke neue Arrangements geschrieben. Ich habe zwei Songs geschrieben, die bisher unveröffentlicht sind. Und ich arbeite daran, Elemente hinzuzufügen, die die Musik auf eine geradezu cineastische Ebene heben werden. Wenn alles gut geht, werden wir ein Orgelstück live in einer Kirche einspielen. Außerdem habe ich möglicherweise die Chance, mit einem Chor zu arbeiten.
„Jetzt nimmst du den Text und verwandelst ihn in etwas Zynisches“

Wenn ich Musik von VNV Nation höre, habe ich oft Szenen aus imaginären Filmen vor Augen. Würdest du sagen, dass die Orchesterversionen deiner Songs daraus einen anderen Film machen?
„Honour“ ist ein gutes Beispiel dafür. Wir spielen es auf der Tour mit der Philharmonie Leipzig. Wenn die Fans die ersten Takte hören, denken sie erst „Was ist das?“ Die Originalversion ist auf synthetische Art positiv. Sie startet mit dieser künstlich klingenden Maschinenstimme, die all diese wundervollen, stolzen und polemischen Dinge sagt. Bei der Orchesterversion wollte ich die Geschichte umschreiben, ich wollte etwas Dunkleres daraus machen. Ich wollte, dass der Song wie ein Stück von Beethoven klingt, das ich liebe. Da sind auch ein paar Elemente von Gustav Mahler drin.
Ich hatte eine Vision für die Orchesterversion: Ich sitze auf einem Stuhl oder Stein. Im Hintergrund die Überreste von Türmen und Hochhäusern, auf die Szenen aus Archivfilmen der 1950er Jahre projiziert werden. Bilder, die positive Situationen einfangen – feiernde Kinder und Menschen auf Paraden, die eine tolle Zeit haben.
Ich dachte mir, jetzt nimmst du den Text und verwandelst ihn in etwas Zynisches. Er ist nicht mehr positiv. Der Song handelt jetzt davon, was wir hätten haben können. Die klassische Musik bringt die Emotionen auf eine andere Ebene.
VNV Nation zeigen, wie aus elektronischer Musik Klassik wird
VNV-Nation-Fans dürfen sich doppelt auf nächstes Jahr freuen!
Ich gebe dir jetzt eine exklusive Info: Ende Februar 2025 werde ich mit VNV Nation auf Tour gehen. Warum? Weil ich gerade dabei bin - und fast schon fertig damit - ein Doppelalbum zu produzieren. Es wird ein Yin & Yang-Album. Es wird eine positive Seite geben und eine Seite, bei der Leute ganz große Augen machen werden, weil sie so anders sein wird. Ich habe viele verschiedene Facetten und es gibt eine wütende Seite an mir, aber es ist eine fokussierte Wut. Diese Wut habe ich genutzt, um Stücke zu schreiben, die ich immer mal machen wollte. Ich hatte bereits vor der Veröffentlichung von „Electric Sun“ ein Konzept, aber es musste warten, wie es noch nicht ausgereift war. Jetzt habe ich eine klarere Vision. Das Album wird einerseits symphonisch. Andererseits dann wieder sehr rhythmisch. Rhythmischer als früher. Und es wird einen viel größeren cineastischen Vibe haben.
Eine Menge Menschen haben mit mir bereits an verschiedenen Elementen dieser Vision gearbeitet. Ich stelle mir eine Foto-Installation vor oder eine Kunstgalerie, in der meine Musik gespielt wird. Ich habe bestimmt 4.000 Ideen und werde wahrscheinlich nur fünf davon umsetzen, aber diese werden großartig sein.
Künstliche Intelligenz? Für Ronan der „faule Weg“
Ich werde keine Künstliche Intelligenz für meine Musik verwenden. Ich sehe keinen Grund dafür, ich denke, das ist der faule Weg. KI dient für mich dem Zweck, sich wiederholende, langweilige Aufgaben zu erledigen. Aber Musik ist eine kreative Erfahrung. Ich möchte nicht, dass etwas meinen Gesang analysiert, um mir zu sagen, wie ich singen soll. Ich fühle, ich denke, ich bin ein Mensch.
Wann ich das neue Album veröffentliche, weiß ich noch nicht. Ich liebe die Idee, zur Tour eine EP oder Singles rauszubringen, die ich dann live spielen kann und die Fans hören die neue Musik beim Konzert zum ersten Mal. Das hat auch auf der „Electric Sun“-Tour super funktioniert. Die Leute kamen nachher und haben gefragt „Was ist das für ein Song, der ist toll?“
Fankritik an Ronans Musik? „Ich erwarte nicht, dass es jedem gefällt“

Als wir uns das letzte Mal getroffen haben, war „Electric Sun“ noch nicht veröffentlicht und du voller Vorfreude darauf. Wie hat es sich für dich angefühlt, dein musikalisches Baby der Welt zu präsentieren und neben viel positivem Feedback auch die eine oder andere eher kritische Stimme in Fanforen lesen zu müssen?
Ich tue, was ich will, und teile es. Und wenn es den Leuten gefällt, ist das alles, was ich mir erhofft habe. Ich bin Leuten begegnet, bei denen klar war, das Album ist nichts für sie. Andere Alben davor waren es, dieses halt nicht. Aber ich war wirklich froh, dass Leute, deren Geschmack ich schätze, es mochten. Ich habe Feedback von Menschen bekommen, die keine Fans sind oder die meine Musik noch nie mochten, die das Album hörten und dachten, da passiert gerade musikalisch etwas auf einer ganz anderen Ebene.
Lese-Tipp: Ronan Harris im Interview: Das neue VNV Nation-Album wird "episch"
Es ist mir egal, ob die Leute es mögen oder nicht. Ich höre mir Kritik an, aber sie sollte bitte konstruktiv sein. Ich erwarte nicht, dass es jedem gefällt. Aber ich war ganz erstaunt, dass die überwältigende Mehrheit, von der ich nie erwartet hätte, dass sie es mögen würde, nette Sachen darüber gesagt haben. Dass sie es sogar als ein Kunstwerk bezeichnet haben. Okay, das ist vielleicht ein bisschen zu viel, aber hey, danke trotzdem.