Fußball-IkoneEr heißt wie ein Hund: Völlers Leben zwischen Rudi und Wut

Weltmeister, Teamchef, Publikumsliebling: Rudi Völler blickt auf ein bewegtes Fußball-Leben zurück. In einem Film erinnert er sich an eine Wutrede - und schlendert über den Platz wie Beckenbauer.
Offenbar hat Julian Nagelsmann bislang nicht alle Seiten von Rudi Völler kennengelernt. Wenn der Bundestrainer in der Öffentlichkeit über seinen Sportdirektor spricht, fallen ihm ausschließlich positive Dinge ein. «Alle schreien Rudi, Rudi, Rudi. Jeder liebt Rudi Völler. Er ist total greifbar für alle Menschen und begegnet jedem auf Augenhöhe», beschreibt Nagelsmann seinen engen DFB-Partner.
Jeder halte Völler «per se» für einen sympathischen Mann. Völlers Frau Sabrina, die das im Volksmund nur Rudi ausgerufene Fußball-Idol zweifellos besser und länger kennt als Nagelsmann, kennt auch andere Seiten. Über den Weltmeister von 1990 sagte die Italienerin: «Der liebe Rudi, der immer so winkt und lächelt, den gibt es - aber nur 30 Prozent. Der kann schon beißen. Wenn es zu Wut und Ungerechtigkeit kommt, gibt es keine Grenzen.»
Spuckattacke und Weißbier-Wutrede
Völlers bewegtes Leben als Nationalspieler, Teamchef, Trainer, Sportdirektor und Vater von insgesamt fünf Kindern ist nun verfilmt worden. Und der Streifen erzählt selbstredend von der Spuckattacke von Frank Rijkaard bei der WM in Italien sowie von Völlers Weißbier-Wutrede gegen den damaligen ARD-Fragesteller Waldemar Hartmann nach einem 0:0 bei Außenseiter Island.
Auf diese beiden Szenen werde er bis heute angesprochen, sagte Völler. Der damalige Teamchef hatte dem Journalisten Hartmann vorgehalten, er sitze «locker und bequem auf seinem Stuhl» und habe «drei Weizenbier getrunken». Seine Wutrede war in den folgenden Tagen Thema in Nachrichtensendungen und wurde sogar in der deutschen Spitzenpolitik diskutiert.
Der 65-Jährige lässt in dem Dokumentarfilm, der am Montag in Frankfurt am Main Deutschland-Premiere feiert und ab 3. Oktober bei Sky zu sehen ist, auch persönliche und intime Einblicke zu. So sieht man Völler mit seiner Frau und deren Tochter Greta in der Küche. Die Fußball-Größe sagt in entwaffnender Ehrlichkeit: «Ich könnte jetzt so tun, als würde ich jetzt hier helfen, aber außer den Tisch decken kann ich nix.»
Mit Lothar und Wein in Rom
Völlers fehlende Kochkünste und sein heutiges Hobby Padel-Tennis mit den Söhnen sind in dem Streifen eher Nebensache - denn sein Leben bestimmte immer der Fußball. Der DFB-Sportdirektor schlendert - wie einst Teamchef Franz Beckenbauer - für die Doku noch einmal über den Weltmeister-Rasen von Rom und gedenkt voller Trauer der gestorbenen Fußball-Legende sowie seinem ehemaligen Freund Andreas Brehme, der damals das Siegtor schoss.
Ungeniert erzählt Völler, der beim Sportpresseball im November als «Legende des Sports» ausgezeichnet wird, von den Vorzügen des Fußballerlebens in den 80er- und 90er-Jahren. So reiste er mit Freund Lothar Matthäus während der WM nach Rom, als über eine Rücknahme von Gelben und Roten Karten verhandelt wurde.
Das gelang zwar nicht, doch Völler und Matthäus machten trotzdem das Beste aus der Tour. Dem Team am Comer See sagten sie, der Flieger zurück habe Verspätung. Im Anschluss traf das Duo Völlers damalige Freundin (heute Frau), dann habe man «schön in Rom am Wasser zwei Flaschen Wein getrunken» und sei dann zurückgeflogen, ließen die späteren Weltmeister in Schlitzohr-Manier wissen.
«Das kann nicht wahr sein, dass ein Mensch Rudi heißt»
Überhaupt spielt Völlers zweite Ehefrau, mit der er seit drei Jahrzehnten verheiratet ist, eine große Rolle in dem etwa 100-minütigen Film. So erzählt Sabrina nicht nur, wie sie dem Fußball-Wahnsinn der Familie entkommt (italienisches Fernsehen in einem eigenen Zimmer). Sondern auch, wie sie Leverkusens Abstiegsspiel gegen Kaiserslautern um den später weinenden Brehme 1996 erlebt hat: mit zwei Schachteln Zigaretten in 90 Minuten.
Das Paar pendelt heute zwischen Düsseldorf und Rom, Völler ist wegen seines bis 2028 gültigen Vertrags beim DFB zudem häufiger in Frankfurt. In den ersten Jahren der Beziehung ließ Völler seine Gattin immer wieder verzweifeln.
Zum einen, als er sich 1994 nicht für Lissabon, Bordeaux oder Paris entschied, sondern für Leverkusen, das seine Frau gar nicht kannte. Zum anderen mit seinem Spitznamen. «Das kann nicht wahr sein, dass ein Mensch Rudi heißt. Für mich ist das ein Name wie für einen Hund», erzählte Sabrina über das Kennenlernen mit dem Fußball-Star. Sie nennt ihren Mann konsequent Rudolf.