Trennungsangst zu empfinden, ist zunächst etwas völlig Normales. Schon viele Kinder spüren diese Form von Verlustangst, wenn sie am ersten Tag im Kindergarten das Gefühl haben, von ihren Eltern allein zurückgelassen zu werden. Es macht sich Panik und Verzweiflung breit.
Und auch in einer Beziehung kann Trennungsangst eine Rolle spielen. Auch dies ist zunächst nichts Ungewöhnliches. Es ist ein menschliches Bedürfnis, nicht allein sein zu wollen. Trennungsangst kann sich jedoch zu einem Problem entwickeln, wenn sie ausufert und zu einem alles beherrschenden Gefühl wird, das einen oder beide Partner lähmt.
Prägungen aus der Kindheit
Dass Kinder schnell Verlustängste empfinden, wenn sie von ihren Eltern getrennt werden, ist also etwas Normales. Diese Form von Verlustangst lässt üblicherweise nach, je älter wir werden. Wir beginnen, die Zusammenhänge besser zu verstehen. Wir wissen, dass eine Person nicht komplett aus unserem Leben verschwindet, nur weil wir sie für einige Zeit nicht sehen. Manche Menschen sind durch besondere Erlebnisse in der Kindheit aber derart geprägt, dass sie ihre Trennungsangst auch im Erwachsenenalter nie wirklich überwinden können. Dies können schmerzhafte und prägende Erlebnisse wie der Verlust eines Elternteils durch Tod oder Scheidung sein. Oder auch häufige Umzüge, die dafür gesorgt haben, dass Schule und Umfeld immer wieder gewechselt werden mussten und sich nie wirklich festigen konnten.
Einerseits sind es also Verluste in der Kindheit, die dafür sorgen, dass Trennungsängste auch im Erwachsenenalter eine Rolle spielen können. Andererseits kann aber auch das genaue Gegenteil dazu führen, dass es uns schwerfällt, loszulassen. Zum Beispiel, wenn ein Kind extrem behütet aufgewachsen ist und nie wirklich gelernt hat, auf sich allein gestellt zu sein. Zudem gibt es Menschen, die aus ihrem Elternhaus ausziehen und direkt mit einem Partner zusammengezogen sind. Hier war immer eine direkte Bezugsperson gegeben, der die Fürsorge übernommen hat. Eine solche Unselbstständigkeit schürt die Angst davor, verlassen zu werden. Es ist die eigene Hilflosigkeit, die einen lieber eine selbst unglückliche Beziehung weiterführen lässt, als sich den Herausforderungen des Lebens zu stellen und für sich selbst Verantwortung zu übernehmen.
Trennungsangst kann sich auf unterschiedliche Weise äußern
Es gibt verschiedene Formen der Trennungsangst. Zum einen kann es sein, dass man sich in einer unglücklichen Beziehung befindet und sich dessen auch bewusst ist. Der Gedanke an eine Trennung ist allgegenwärtig. Doch es fehlt der Mut, den letzten Schritt zu gehen, da man sich lieber mit einer unglücklichen Beziehung abfindet, als allein zu sein. Daneben gibt es auch die Trennungsangst, die sich dadurch äußert, dass einer der Partner extreme Angst vor dem Alleinsein hat und sich förmlich an den anderen Partner klammert. Man würde praktisch alles tun, nur damit der andere einen nicht verlässt.
Wie macht sich Trennungsangst bemerkbar?
Trennungsangst kann auf unterschiedliche Weise Ausdruck finden.
Typische Anzeichen und Verhaltensmuster sind:
- starke Neigung zur Eifersucht, Vertrauen lässt sich nur schwer aufbauen
- Partner wird übermäßig eingeengt (Klammern)
- starkes Misstrauen gegenüber dem Partner
- Partner wird geradezu zwanghaft kontrolliert
- Bestätigung durch den Partner wird sehr häufig eingefordert
- Man kann sich nicht mit dem Gedanken abfinden, allein zu sein
- vorauseilende Schuldgefühle verhindern eine Trennung
- starke Minderwertigkeitsgefühle
Trennungsangst sollte man ernst nehmen
Wer unter Trennungsangst leidet, hat damit einhergehend auch oft mit gesundheitlichen Problemen zu kämpfen, die durch die starken Verlustängste hervorgerufen werden. Dies kann von Panikattacken bis hin zu Depressionen und Suchterkrankungen reichen. Daher sind Trennungsängste etwas, mit dem man sich auseinandersetzen und nicht einfach so abtun sollte. Selbst wenn der Partner versichert, dass er sich nicht trennen will, dringt dies nicht zu dem Betroffenen durch. Zu sehr ist er in seiner Angst gefangen. Betroffene können versuchen, an sich und ihren Ängsten zu arbeiten.
Verschiedene Tipps können hierbei helfen:
Wenn Sie unter Trennungsangst leiden, versuchen Sie ganz bewusst, Unternehmungen ohne Ihren Partner zu starten. Nehmen Sie sich die Zeit für sich selbst und planen für Sie angenehme Aktivitäten, zu denen Ihr Partner Sie nicht begleitet.
Auch ein eigenes Hobby, das nichts mit den Interessen des Partners zu tun hat, bietet sich an. Schlucken Sie Ihre Angst auch nicht hinunter und behalten Sie Ihre Sorgen nicht für sich. Sprechen Sie mit Ihrem Partner offen darüber, was Sie belastet. Auch gute Freunde haben hier sicher ein offenes Ohr für Sie und nehmen Ihre Sorgen ernst. Sind die Dinge erst einmal laut und offen ausgesprochen, fällt es manchmal auch schon etwas leichter, die Gedanken zu sortieren.
Versuchen Sie auch nicht, die negativen Gedanken Überhand nehmen zu lassen. Wenn die Ängste sich wieder im Kopf zu Wort melden, versuchen Sie, mit positiven Gedanken zu vertreiben. Erinnern Sie sich an besonders schöne Momente mit Ihrem Partner – vielleicht an den Tag der Hochzeit, an einen gemeinsamen Urlaub oder an die Geburt des Kindes.
Positive Aspekte einer Trennung sehen
Stellen Sie sich auch einfach einmal vor, wie ein Leben ohne Ihren Partner für Sie verlaufen könnte – Sie wären allein, ja. Aber das beinhaltet auch, manch eine Freiheit zu gewinnen. Durch eine Trennung können sich für Sie auch völlig neue Perspektiven ergeben. Helfen kann es mitunter auch, eine Art Tagebuch zu führen, in dem Sie Ihre Emotionen festhalten und die dazugehörigen Situationen niederschreiben, in denen es zu den negativen Gedanken und Ängsten gekommen ist. Schreiben Sie auch nieder, was Sie sich wünschen und was Sie tun könnten, um sich besser zu fühlen. Machen Sie dies zu einer Art ganz persönlichen To-Do-Liste für Ihr Glück. Indem Sie eigene Projekte angehen, sorgen Sie für persönliche Erfüllung und stärken Ihr Selbstbewusstsein. Sind Sie allein, weil Ihr Partner unterwegs ist, schaffen Sie sich ganz bewusst eine Atmosphäre des Wohlbefindens. Dazu können beispielsweise Musik, Kerzenschein und ein entspannendes Bad gehören.
Sollten Sie feststellen, dass Sie allein und auch mit Unterstützung durch Partner und Freunde keine Besserung herbeiführen können, bleibt Ihnen auch die Möglichkeit, sich professionelle Hilfe zu holen. Ein Psychologe kann Sie im Rahmen einer Therapie unterstützen und mit Ihnen die Ursachen für Ihre Ängste aufarbeiten. So ist es auch wichtig, frühere Beziehungen zu analysieren und dadurch zu identifizieren, welche Probleme und Dynamiken damit einhergingen. Erinnern Sie sich zudem an frühere Krisen, die Sie bereits überwunden haben. Wie haben Sie dies geschafft, was hat Ihnen dabei geholfen? Vielleicht lassen sich die Lösungsmöglichkeiten von damals auch auf Situationen im Hier und Heute wieder anwenden.
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