Wer noch nie etwas mit Ghosting zu tun hatte, weiß vielleicht im ersten Moment mit diesem Begriff so rein gar nichts anzufangen. „Ghost“ darf man aus dem Englischen ins Deutsche übersetzen. Heraus kommt der Name „Geist“. Und was tun Geister am Allerliebsten? Schnell erscheinen, um dann auf Nimmerwiedersehen zu verschwinden.
Und genauso bzw. so ähnlich sind Ghosting-Menschen zu definieren. Sie spielen eine kurze, wohlmöglich sogar einschneidende Rolle im Leben eines anderen Menschen, und plötzlich sind sie spurlos verschwunden, als hätte es sie niemals gegeben. Plötzlich und ohne vorherige Ansage und für den oder die Betroffene völlig grundlos, kommen Briefe mit dem Vermerk „verzogen“ zurück, die Mobilfunknummer stimmt nicht mehr und auch in der Singlebörse findet sich weder das Profil noch sonstige Spuren von der Person, die uns tage- oder auch wochenlang so liebevoll virtuell begleitet hat.
„Ghosting“ ist ein Phänomen, welches der modernen Psychologie schon länger bekannt ist. Wenn ein Beziehungspartner plötzlich die Reißleine zieht und den anderen potentiellen Beziehungspartner ahnungslos sowie hilflos zurücklässt, ihm also vorher keine Erklärung für sein übereiltes Verschwinden liefert, dann sprechen Experten von einem typischen Fall von Ghosting. Bekannt wurde der doch recht neue Begriff durch diverse Online-Dating-Portale, aber auch inmitten ganz normal erscheinender „Real-Dates“ traf und trifft man auf „Ghosting“ in Reinstform. Was dahinter steckt und warum Menschen zum Ghosting neigen, versteht man, wenn man etwas intensiver hinter die Kulissen der Ghosting-Macher blickt.
Ghosting hinterlässt Schmerz und Leid: „Wir führten doch eine richtig glückliche Fernbeziehung“
„Ich lernte Marco im Urlaub kennen und wir waren vom ersten Tag an ein Herz und eine Seele. Auch nach dem Spanienurlaub blieben wir zusammen. Wir würden die Fernbeziehung bestimmt perfekt stemmen. Davon war zumindest ich vollkommen überzeugt. Wie es in Marco wirklich aussah, weiß ich nicht. Er behauptete immer, dass ich die große Liebe seines Lebens sei. Ich glaubte ihm, bis ich vor zwei Wochen meinen Besuch ankündigte. Ich dachte, er würde sich riesig freuen und schrieb ihm eine SMS, auf die ich bis heute noch keine Antwort bekam. Nach einigen Stunden Funkstille, versuchte ich ihn anzurufen. Pustekuchen, den Anschluss gab es anscheinend nicht mehr. Auch im Netz in unserem Lieblingsportal war er unauffindbar. In mir brach eine ganze Welt zusammen. Ich hoffte noch Tage danach auf ein Zeichen und glaubte an einen üblen Scherz. Doch es war die bittere Wahrheit. Marco war ohne Abschiedsgruß im Nirvana verschwunden. Damit musste ich erst einmal fertig werden!“
So wie Lisa ergeht es „Ghosting-Opfern“ weltweit. Zurück bleiben ein großes Fragezeichen, Verunsicherung, Selbstzweifel und die Frage nach dem „Warum?“.
Gründe für Ghosting :
- Ghosting-Menschen haben ein Problem damit, dem etwaigen Partner die Wahrheit zu sagen oder gar Konflikte mit ihm oder ihr anständig auszutragen.
- Ängste, dass ein potentieller Partner auf ihre Zurückweisung aggressiv oder depressiv reagiert, bringen ihn oder sie dazu, den Kontakt einfach fallen zu lassen, getreu dem Motto: „Aus dem Augen, aus dem Sinn“.
- Auch ein Grund für Ghosting kann ein mangelndes Empathieempfinden des Ghosting-Betreibers sein. Ihm oder ihr ist es egal, was aus dem Flirt wird. Soll der- oder diejenige doch schauen, wie er oder sie mit der wortlosen Trennung klarkommt.
- Bindungsängste stehen ganz oben auf der Liste der Gründe. Wenn der oder die Partnerin zu nah kommt, verschwindet der Ghosting-Mensch wie ein scheues Reh, dem ein Hund auf den Fersen ist.
Tatsächlich kann uns Ghosting in starker oder auch in abgeschwächter Form überall begegnen. Die Schuld für das seltsame und gar verletzende Verhalten bei sich zu suchen, wäre definitiv zu kurz gedacht. Eine Vorbeugung gegen Ghosting gibt es leider nicht. Dennoch, wer die Augen und Ohren und seine innere Antenne auf Empfang stellt, kann durchaus Signale des Ghosting-Menschen empfangen, welche darauf hindeuten, dass dieser oder diese bald die Fliege machen wird. Genau in jenem Moment sollte man versuchen mit dieser Person behutsam Tacheles zu reden. Manchmal ist es möglich, damit einen Ghosting-Versuch zu verhindern.
„Was du liebst, lass frei. Kommt es zurück, gehört es dir – für immer.“ (Konfuzius)
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