Der Immobilienmarkt in Deutschland befindet sich seit geraumer Zeit in einer sehr starken Verfassung. Vermieter und Investoren profitieren von den aktuellen Wertentwicklungen, wohingegen der Großteil der Mieter mit hohen Mietkosten zu kämpfen hat. Sascha Klupp, Experte auf dem Immobilienmarkt in Berlin, weiß über den Status quo und die Entwicklung der Branche Bescheid. Im Interview verrät er, wie es um den Markt bestellt ist.
Herr Klupp, wie würden Sie die aktuelle Lage des Immobilienmarkts beschreiben?
Insgesamt ist der deutsche Immobilienmarkt in einer äußerst starken Verfassung. Dabei muss diese Bewertung immer in den richtigen Kontext gebracht und aus dem jeweiligen Blickwinkel unterschiedlich betrachtet werden. Doch aus rein wirtschaftlicher Perspektive muss man sagen, dass es der Branche sehr gutgeht.
Wie wird die Dynamik der Immobilienbranche durch einzelne Interessengruppen beeinflusst?
Die Immobilienpreise und Mieten haben in fast allen Nutzungsarten einen Maximalstand erreicht, woraus sich für Investoren bzw. Immobilienkäufer und -verkäufer gleichermaßen Chancen wie Risiken ergeben. Natürlich basiert diese durchaus komplexe Ausgangslage auf dem simplen Preismechanismus von „Angebot und Nachfrage“, weswegen Akteure im Immobiliengeschäft auch immer einen Blick auf die Nachfrageseite werfen sollten, also auf die Mieter.
Die Preisdynamik des Marktes ist demnach durch viele Faktoren beeinflusst, aber vor allem auf die Zinspolitik im EU- und US-Raum zurückzuführen. Eine aktuelle Studie der Wirtschaftsprüfer von KPMG hat diesbezüglich eine Kalkulation aufgestellt, die besagt, dass die Zinsen in der Eurozone voraussichtlich bis Ende 2020 nicht steigen werden und die US-Notenbank ihren Leitzins erst einmal nicht weiter erhöhen wird.
Der Immobilienmarkt in Deutschland schwimmt also im Geld?
Das ist vielleicht etwas polemisch formuliert, Fakt ist aber ohne Zweifel, dass die Niedrigzinspolitik über die letzten Jahre viel Geld in den deutschen Immobilienmarkt geleitet hat. Diese Entwicklung ergab sich nicht zuletzt auch aufgrund mangelnder Alternativen für festverzinsliche Kapitalanlagen.
Die Vergangenheit sollte aber Warnung genug sein. Es kann kein endloses Wachstum für Immobilienpreise geben. Auch politische Regulierungsmaßnahmen hemmen diese Entwicklung. Es kann also keinesfalls behauptet werden, dass der deutsche Immobilienmarkt ein Fass ohne Boden ist und lukrative Renditen garantiert. Erfahrene Investoren wissen um derlei Faktoren.
Werden die Mieten in Deutschland durch das viele Geld weiter steigen?
Rational betrachtet wäre das eine logische Entwicklung. Doch das Risiko steigender Zinsen besteht trotz Kalkulationen und Vorhersagen immer. Darüber hinaus ist erschwinglicher Wohnungsraum mittlerweile ein politisches Thema geworden. Die Bundesregierung hat bereits mit Maßnahmen gegen eine weitere finanzielle Aufblähung des Marktes agiert und wird auch in Zukunft mietdämpfende Regulierungen vornehmen. Für die Mieten im Land heißt das im Umkehrschluss, dass sie keine exorbitant hohen Steigerungen mehr erwarten müssen. Besonders in den Städten halte ich starke Mietsteigerungen für unwahrscheinlich.
Wie einheitlich ist der deutsche Immobilienmarkt?
Kenner des deutschen Immobilienmarkts wissen, dass es große Unterschiede zwischen Wohn- und Gewerbeimmobilien gibt. Auf dem Gewerbeimmobilienmarkt in Deutschland ist der historische Preisanstieg sogar noch schneller vorangeschritten als auf dem Mietmarkt. Sogar die schwächelnde Konjunktur hatte kaum nennenswerten Einfluss auf das Wachstum. 2019 verteuerten sich Gewerbeimmobilien im Schnitt um 5,9 Prozent, also mehr als Wohnimmobilien. Seit der Wiedervereinigung hat es so einen langanhaltenden Aufschwung nicht mehr gegeben. Dies zeigt, dass unterschiedliche Entwicklungen auf dem deutschen Immobilienmarkt existieren.
Werden somit die Preise auf dem Immobilienmarkt generell nicht mehr steigen?
Den hohen Mieten in Deutschland wird zwar so allmählich mit Regulierungen entgegengewirkt, doch die Preise für Eigentum und Häuser steigen stark an. Das Forschungsunternehmen F+B hat diesbezüglich errechnet, dass die Preise für Eigentumswohnungen im viertel Quartal des letzten Jahres im Vergleich zum Vorjahresquartal um 5,4 Prozent gestiegen sind. Dabei wurde bei den Einfamilienhäusern ein Anstieg von 3,8 Prozent verzeichnet.
Diese großen Preisaufschläge sind keine plötzliche Entwicklung, sondern basieren vor allem auf Käufe aus dem Inland. Immobilienkonzerne, Fonds, reiche Privatanleger und Selbstnutzer kaufen für hohen Summen Eigentum auf, wodurch die Preisstruktur in der Folge nach oben schießt.
Wie prognostizieren Sie die zukünftige Entwicklung des Markts?
Eine Frage, die nur sehr schwierig zu beantworten ist. Klar ist, dass die Ballungszentren wie Berlin oder München durch die Maßnahmen der Gesetzgebung auf einer Seite profitieren werden. Ob es nachteilige oder negative Entwicklungen geben wird, muss tatsächlich abgewartet werden.
Wobei ich mir jedoch absolut sicher bin, ist die Zweiteilung bei Wohnimmobilien. Diese umfasst die Ballungsgebiete und das Land. In den Zentren wird der akute Wohnbedarf nur durch umfangreichen Neubau gedeckt werden. Allerdings werden viele Großstädte Einwohner verlieren, da die hohen Preise die Menschen dazu zwingen werden, auf das Umland auszuweichen. Das wird zwar die städtischen Wohnimmobilienmärkte merklich entlasten, führt aber gleichzeitig zu erhöhten Pendlerzahlen und wird die Verkehrsinfrastruktur vor enorme Probleme stellen.
Vielen Dank für das Interview, Herr Klupp. Weiterhin viel Erfolg mit ihrem Business!