Weil sein Vater nicht sterben durfte: Mann verklagt Arzt auf Schmerzensgeld und Schadenersatz
Haften Ärzte für sinnloses Leiden am Lebensende? BGH muss urteilen
Weil sein Vater nicht sterben durfte: Mann verklagt Arzt auf Schmerzensgeld und Schadenersatz
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Dement, bewegungsunfähig, künstlich ernährt: „Er war am Ende“
Müssen Ärzte Angehörigen Schmerzensgeld bezahlen, wenn sie das Leiden eines Menschen unnötig verlängert haben? Diese Frage muss jetzt der Bundesgerichtshof (BGH) klären. Heinz Sening hat die Klage angestrengt. Weil sein Vater Heinrich (†82) mindestens zwei Jahre lang sinnlos leiden musste. Warum Heinz Sening deswegen den ehemaligen Hausarzt verklagt hat – in unserem Video!
Es gab keine Patientenverfügung
„Er war am Ende“, sagt der Sohn über die letzten Jahre seines dementen Vaters. Heinrich Sening lag jahrelang bewegungsunfähig im Pflegeheim, konnte sich nicht mehr mitteilen. Bis 2011 hält ihn nur noch die künstliche Ernährung per Magensonde am Leben. Heinz Sening: „Er durfte nicht sterben.“ Was sein Vater gewollt hätte, weiß niemand - es gab keine Patientenverfügung.
Wie weit dürfen Patientenrechte am Lebensende?
Der BGH steht vor der Grundsatz-Frage, wie weit Patientenrechte am Lebensende reichen. Heinz Sening fordert vom ehemaligen Hausarzt Schmerzensgeld und Schadenersatz für Behandlungs- und Pflegekosten, insgesamt mehr als 150.000 Euro. Weil sein Vater unnötig lange am Leben erhalten wurde.
Das sah auch das Münchner Oberlandesgericht so: 2017 urteilte es, dass die künstliche Ernährung zumindest in den letzten knapp zwei Jahren der reinen Lebenserhaltung diente - und somit zweifelhaft war. Der Hausarzt hätte gründlich besprechen müssen, ob die 2006 gelegte Magensonde bleiben soll oder nicht. Damit habe der Arzt Aufklärungspflichten verletzt. Deswegen wurden Heinz Sening 40.000 Euro Schmerzensgeld zugesprochen. Die Schadenersatz-Forderung wurde hingegen abgewiesen.
Weil beide Seiten in Revision gingen, muss nun das höchste Gericht in Karlsruhe entscheiden.
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Was sagen Patientenschützer?
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz rät jedem, rechtzeitig vorzusorgen und für konkrete Situationen wie Wachkoma, Organversagen oder eben Demenz präzise Behandlungsanweisungen niederzuschreiben. „So wird die Selbstbestimmung bis zum Tod gesichert“, sagt ein Sprecher. „Hätte eine Patientenverfügung vorgelegen, wäre der Prozess überflüssig.“
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Was gilt für Ärzte, die Sterbende behandeln?
In den ärztlichen Grundsätzen zur Sterbebegleitung der Bundesärztekammer heißt es unter anderem (Auszüge):
- „Aufgabe des Arztes ist es, unter Achtung des Selbstbestimmungsrechtes des Patienten Leben zu erhalten, Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen sowie Leiden zu lindern und Sterbenden bis zum Tod beizustehen. Die ärztliche Verpflichtung zur Lebenserhaltung besteht daher nicht unter allen Umständen.“
- „Ein offensichtlicher Sterbevorgang soll nicht durch lebenserhaltende Therapien künstlich in die Länge gezogen werden. Darüber hinaus darf das Sterben durch Unterlassen, Begrenzen oder Beenden einer begonnenen medizinischen Behandlung ermöglicht werden, wenn dies dem Willen des Patienten entspricht. Dies gilt auch für die künstliche Nahrungs- und Flüssigkeitszufuhr.“
- „Bei Patienten, die sich zwar noch nicht im Sterben befinden, aber nach ärztlicher Erkenntnis aller Voraussicht nach in absehbarer Zeit sterben werden, ist eine Änderung des Behandlungszieles geboten, wenn lebenserhaltende Maßnahmen Leiden nur verlängern würden oder die Änderung des Behandlungsziels dem Willen des Patienten entspricht.“