Wahlkampf in Niedersachsen: Deutschland vor Richtungsentscheidung?
Heiße Phase beginnt
Im September wird der Bundestag gewählt, Kanzlerin Angela Merkel (CDU) möchte gerne vier weitere Jahre die Geschicke Deutschlands lenken. Oft hat sie betont, dass ihr das zusammen mit der Schwesterpartei CSU und dem Partner FDP bisher sehr gut gelungen ist.
Genauso gerne würd der SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück die Ära Merkel beenden, und zwar komplett. Nicht als großer oder kleiner Partner in einer Großen Koalition, sondern als Chef eines rot-grünen Bündnisses.
Doch bevor es so weit ist, stehen noch zwei Landtagswahlen an. In Niedersachsen am 20. Januar und in Bayern im September, wahrscheinlich eine Woche vor der Bundestagswahl. In beiden Ländern regiert die Union zusammen mit der FDP, in beiden Ländern wollen SPD und Grüne das beenden, zumindest in Niedersachsen haben sie realistische Chancen.
Zwar sehen alle Meinungsforschungsinstitute die CDU (38,5 bis 40 Prozent) klar vor der SPD (33 bis 34 Prozent), ebenso sehen sie die FDP im Moment unter der Fünf-Prozent-Hürde und somit nicht im Parlament. Sollte dieser Fall eintreten, können SPD und Grüne die Macht in Hannover übernehmen. Und auch wenn die FDP mit fünf Prozent den Einzug knapp schaffen sollte, könnte es für Schwarz-Gelb dennoch nicht reichen, da die Grünen mit 13 Prozent der SPD immer noch zu einer Mehrheit verhelfen könnten.
Die CDU trifft sich zum Auftakt der heißen Wahlkampfphase in Wilhelmshaven und will dort eine Erklärung verabschieden, in der die Christdemokraten Deutschland vor einer Richtungsentscheidung sehen. Die Union setze auf stabile Finanzen, einen stärkeren gesellschaftlichen Zusammenhalt durch mehr Beschäftigung und mehr Stabilität in Europa. "Die linken Parteien setzen unterdessen auf Umverteilung und einen Politik auf Pump, die zu Lasten kommender Generationen geht", heißt es in dem zwölfseitigen Papier.
FDP wird nicht erwähnt
In ihrer 'Wilhelmshavener Erklärung' distanziert sich die CDU in wirtschaftlichen Fragen klar von SPD und Grünen, ein Wort über den Koalitionspartner im Bund und in Hannover, die FDP, sucht man jedoch vergebens.
Die Liberalen befinden sich am Anfang des Wahljahres 2013 und unmittelbar vor ihrem traditionellen Dreikönigs-Treffen weiter tief in der Krise und konzentrieren sich hauptsächlich auf sich selbst. Sollte Wirtschaftsminister Philipp Rösler als Parteichef weiter machen oder abtreten? Darüber diskutiert die Partei gerade ziemlich öffentlichkeitswirksam. Sollte es in Niedersachsen eine weitere krachende Wahlniederlage mit einem Ergebnis unter fünf Prozent geben, könnten Röslers Tage als Parteichef gezählt sein.
"Wir dürfen deshalb auch keine Zeit mehr mit schädlichen Personaldebatten vertun. Die FDP sollte so bald wie möglich nach der Landtagswahl in Niedersachsen ihren für Mai geplanten ordentlichen Parteitag vorziehen und eine abschließende Entscheidung treffen", sagte FDP-Politiker und Bundestagsvizepräsident Hermann Otto Solms.
FDP-Fraktionsvize Volker Wissing legte dem Parteichef indirekt den Rücktritt nahe, falls die Liberalen in Niedersachsen nicht in den Landtag kommen sollten. "Wenn er in Niedersachsen erfolgreich ist, freuen wir uns alle", sagte er im Fernsehen. "Wenn nicht, wird Philipp Rösler klug genug sein, persönliche Konsequenzen zu ziehen."
Die SPD hält Röslers Schicksal bereits für besiegelt. "Philipp Rösler ist nicht mehr zu retten", erklärte Fraktionsgeschäftsführer Thomas Oppermann. "Die FDP wäre gut beraten, wenn sie sich schon vor der Wahl in Niedersachsen einen neuen Vorsitzenden sucht." Nichts brauche eine Partei in der Krise mehr als eine Autorität an der Spitze. Oppermann: "Diese Autorität hat Philipp Rösler nie besessen."
Die SPD leitet in Emden die heiße Phase des Wahlkampfes ein. Spitzenkandidat Stephan Weil tritt gemeinsam mit Merkel-Herausforderer Steinbrück in Emden auf. Niedersachsens Ministerpräsident David McAllister (CDU) und Bundeskanzlerin Merkel wollen in Braunschweig nachziehen.
Rot-Grün will im Falle eines Wahlsiegs in Niedersachsen Bundeskanzlerin Angela Merkel über den Bundesrat Druck machen. Durch eine neue rot-grüne Landesregierung gebe es eine Gestaltungsmehrheit im Bundesrat, sagte Weil. Gemeinsam mit den anderen SPD-geführten Ländern solle dann über die Länderkammer gezielt in die Bundespolitik eingegriffen werden. Weil und die Grünen-Spitzenkandidatin Anja Piel betonten mit Blick auf die Bundestagswahl, die Landtagswahl habe eine große bundespolitische Bedeutung.
Sollte es in Niedersachsen zu einem Regierungswechsel kommen, hätte Rot-Grün 29 Stimmen im Bundesrat, Schwarz-Gelb nur noch 19. Wenn das SPD-regierte Hamburg und das rot-rote Brandenburg dann ihre Stimmen mit den rot-grünen Ländern vereinen, kommen sie auf 36 Stimmen. Das wäre eine Stimme mehr als die absolute Mehrheit in der Länderkammer von 35 Stimmen. Damit können Gesetzesinitiativen beschlossen werden, mit der sich der Bundestag befassen und zu denen dann auch Merkel Stellung beziehen muss.