Alles, was Sie über Russlands brutale Söldner wissen müssen
Wer ist die Wagner-Gruppe?
von Kathrin Hetzel
Sie sind bekannt als „Putins Schattenarmee“ oder als „Russlands Söldner“ und das obwohl das Söldnertum in Russland offiziell verboten ist und Putin selbst sowie die russische Regierung jegliche Verbindungen leugnet: die Wagner-Gruppe. In die Schlagzeilen gerät der Name der Gruppe immer wieder durch Videos von grausamen Folterungen und Hinrichtungen. Die paramilitärische Organisation ist bekannt für ihre Brutalität und Skrupellosigkeit – im Krieg in der Ukraine, aber auch in anderen Ländern.
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Warum ist die Gruppe so berühmt und berüchtigt?
Es gibt viele Gerüchte über die Gruppe. Denn die Söldner haben lange im Geheimen agiert. Viele gesicherte Informationen rund um die Gruppe gibt es daher nicht. Zu Zahlen, Mitgliedern und anderem gibt es teilweise nur Vermutungen oder Schätzungen.
Besonders berüchtigt ist die Gruppe für ihre Schlagkräftigkeit. Ihr Einsatz erfolgt häufig ohne Rücksicht auf Verluste – fremde wie eigene. Sie ist bekannt für ihre Brutalität. Auch von Kriegsverbrechen der Gruppe wird berichtet. Wagner-Söldner werden auf besonders schonungslose Art und Weise in den Kampf geschickt. Oft werden Söldner zum Beispiel als Köder eingesetzt und tarnen sich als gegnerische Soldaten. Eine Methode, die häufig den Tod der eigenen Soldaten bedeutet.
Besonders skrupellos geht die Gruppe auch mit Deserteuren um. Das zeigt beispielsweise ein Video von Wagner-Deserteur Jewnegnij Nuschin. Nuschin soll von Wagner-Söldnern mit einem Vorschlaghammer hingerichtet worden sein. Das Video dazu stellten die Söldner – vermutlich zur Abschreckung – selbst ins Netz.
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Seit wann gibt es die Gruppe?
Die Gruppe wurde 2014 gegründet, um prorussische Kämpfer in der Ukraine zu unterstützen. „Sie sind mit dem Krieg im Donbas 2014 in der Ukraine gegründet worden und dienten dazu, Gebiete in der Ostukraine zu erobern, ohne dafür reguläre russische Truppen einzusetzen,“ erklärt Russlandexperte Stefan Meister von der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP) im Gespräch mit RTL.
Gegründet wurde sie von Jewgeni Wiktorowitsch Prigoschin „in Abstimmung mit der Präsidialadministration und der russischen Armeeführung,“ so Meister. Aber auch Dmitri Utkin hat wohl eine Rolle bei der Gründung der Gruppe gespielt.
Utkin ist ehemaliger Oberstleutnant des russischen Militärgeheimdienstes GRU, kämpfte in beiden Tschetschenienkriegen und war Teil der russischen Besatzungstruppen während der Annexion der Krim. 2016 wurde Utkin als Held des russischen Vaterlandes geehrt. Die Gruppe wurde zunächst aus ehemaligen russischen Militärangehörigen gegründet. Später wurden aber auch Söldner aus anderen Bereichen rekrutiert.
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Wer ist der Anführer der Gruppe?
Kontrolliert wird die Gruppe von Gründer Jewgeni Wiktorowitsch Prigoschin. Er gilt als langjähriger Vertrauter von Kreml-Chef Putin, war lange in der Glücksspiel- und Gastronomiebranche tätig. Sein Cateringunternehmen hat in der Vergangenheit Schulen, Kindergärten und die russische Armee versorgt. Sein Spitzname deshalb auch: „Putins Koch“.
„Prigoschin hat Wagner gegründet, ihm gehört die Söldnergruppe, er hat Strukturen in fast allen russischen Regionen geschaffen, über die neue Söldner rekrutiert werden, bezahlt werden und ausgerüstet werden. Es gibt enge Kooperationen mit der russischen Armee, aber die Söldner haben ein eigenes Rekrutierungs- und Ausstattungssystem,“ erklärt Russland-Experte Meister.
Prigoschin hat jahrelang dementiert, dass er irgendwelche Verbindungen zur Gruppe Wagner hätte. Dafür hat er sogar Journalisten, die über Gegenteiliges berichtet haben, erfolgreich verklagt. Im September 2022 hat Prigoschin zum ersten Mal öffentlich eingestanden, dass er bei der Gründung der Gruppe mitgewirkt hat. Seitdem wirbt er auch immer häufiger öffentlich für die Gruppe. Beispielsweise mit einem Spielfilm über die Gruppe, der während des Ukraine-Krieges gedreht wurde.
Aber auch Gruppenmitbegründer Utkin scheint nach wie vor eine gewisse Führungsrolle in der Gruppe einzunehmen. Laut RTL-Verifizierungsteam taucht er beispielsweise im Management von Prigoschins Firma auf.
Warum nennt sich die Gruppe "Wagner"?
Der Name der Gruppe ist nicht zufällig gewählt. Er geht auf den deutschen Komponisten Richard Wagner zurück. Wagner war der Lieblingskomponist Adolf Hitlers. Die Gruppe nennt sich deshalb auch selbst die „Musiker“.
Bei der Namensgebung der Gruppe hat vermutlich aber eher der nationalsozialistische Bezug Wagners, als dessen Musik eine Rolle gespielt. Der nationalsozialistische Hintergrund der Gruppe ist auch auf Gründer Utkin zurückzuführen. Utkin hat in seiner Militärzeit den Kampfnamen „Wagner“ getragen, ebenfalls zurückgeführt auf Hitlers Lieblingskomponisten. Auf Utkins Brust findet sich ein Hakenkreuz-Tattoo. Auf sein Schlüsselbein hat er sich SS-Runen in Form eines Uniformkragens tätowieren lassen.
Wie groß ist die Gruppe?
Über die Größe der Gruppe gibt es keine offiziellen Informationen, lediglich Vermutungen. Bei der Gründung der Gruppe hat es sich wohl um nicht mehr als einige hundert Kämpfer gehandelt. Später sollen es schon an die 6.000 Söldner gewesen sein. Mittlerweile gehen Experten von circa zehntausend Kämpfern aus. Nach Einschätzung britischer Militärexperten kämpfen mittlerweile bis zu 50.000 Wagner-Söldner in der Ukraine.
Wie wird die Gruppe finanziert?
Auch über die Finanzierung der Gruppe gibt es keine gesicherten Informationen. Als sehr wahrscheinlich gilt, dass sie durch Gründer und Unternehmer Prigoschin finanziert wird. Die US-Regierung geht von 100 Millionen US-Dollar pro Monat aus, die in die Gruppe an Finanzierung hineingesteckt wird. Womöglich kommt das Geld aus Prigoschins Einnahmen aus Staatsaufträgen oder sogar aus dem russischen Haushalt selbst.
Vermutlich ist die Gruppe schwer bewaffnet und verfügt über ein großes Waffenarsenal. Prigoschin selbst soll sich jedenfalls mit einem großen Waffenarsenal, sogar Flugzeugen mit Piloten brüsten. Insgesamt könnte die Wagner-Gruppe also sogar besser ausgestattet sein als die russische Armee, deren mangelhafte Ausrüstung und schlechter Zustand immer wieder in der Kritik steht.
Wie und wer wird als Söldner rekrutiert?
In den Anfängen der Wagner-Gruppe wurden meist ehemalige Angehörige des Militärs für die Gruppe angeworben. Mittlerweile sieht das aber auch anders aus. Laut Russland-Experte Meister gebe es ein „weitverzweigtes Rekrutierungssystem in ganz Russland, dass die Kämpfer anwirbt und oftmals die Familien bezahlt.“ Oft über das Internet und Werbevideos. Dies sei laut Meister fast eine eigene Infrastruktur.
„Mit dem Krieg in der Ukraine werden auch zunehmend Kriminelle in Gefängnissen angeworben, diese werden aber als Menschen zweiter Klasse behandelt und nicht in die regulären Wagnertruppen integriert,“ beschreibt Meister das Wagner-Rekrutierungssystem. Für das Anwerben von Gefangenen sprechen auch die sinkende Zahl der Gefängnisinsassen. Laut Zahlen der russischen Gefängnisbehörde FSIN durch das Investigativportal „Mediasona“ soll die Zahl der Insassen zwischen August und September 2022 von 349.000 auf 325.000 gesunken sein.
Ein Video aus dem September zeigt Prigoschin beim Rekrutieren von Häftlingen. Dabei verspricht er den Häftlingen Amnestie nach sechs Monaten Kriegseinsatz. "Trinkt nicht zu viel, nehmt keine Drogen und vergewaltigt keine Frauen", gab Prigoschin ihnen mit auf den Weg. Es gibt allerdings auch Berichte über Zwangsrekrutierungen.
Im Video: Wagner-Söldner im RTL-Interview: So rekrutierten die Russen bei uns im Gefängnis
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In welchem Zusammenhang steht die Gruppe zur russischen Regierung?
Offiziell sind Söldnergruppen in Russland nach wie vor verboten. Russland bestreitet also offiziell auch jegliche Verbindungen zur Wagner-Gruppe. Allerdings gibt es Hinweise darauf, dass es doch eine Verbindung russische Verbindung zur Gruppe gibt. Dafür spricht beispielsweise, dass Gruppengründer Prigoschin Anfang November ein neues Hauptquartier der Gruppe in St. Petersburg eingeweiht hat. Außerdem gibt es Hinweise darauf, dass Söldner auf einem Gelände des russischen Militärnachrichtendienstes ausgebildet werden und außerdem von diesem ausgestattet werden. Auch das russische Staatsfernsehen berichtet oft sehr positiv über die Gruppe.
Prigoschin selbst, der die Verbindung zur Gruppe mittlerweile öffentlich bejaht, ist Träger der höchsten russischen Auszeichnung „Held der Russischen Föderation“. „Prigoschin hat immer versucht enge Beziehungen zu Putin zu suchen und sich ihm und der russischen Führung als Dienstleister in verschiedenen Bereichen angeboten. Nicht alles wird immer von der Regierung beauftragt, sondern als Angebot durchgeführt,“ sagt Meister. Es gebe in jedem Fall auch Berührungspunkte mit der russischen Armee, für die Wagner Dienstleistungen durchführe, so Meister weiter.
Wie entscheidend ist die Gruppe für den Kriegsverlauf in der Ukraine?
Seit 2022 ist die Gruppe auch im Ukraine-Krieg im Einsatz. Sie soll meist getarnt agieren und klar definierte Ziele haben, zum Beispiel Personen auf hoher Führungsebene. Im Einsatz ist die Gruppe Wagner in der Ukraine oft in besonders gefährlichen Frontabschnitten, wie in der Ostukraine oder in den Städten Bachmut und Soledar. Der britische Geheimdienst geht davon aus, dass die Söldner sogar „zu einer Schlüsselkomponente“ in der russischen Invasionsarmee geworden ist.
Davon ist auch Russland-Experte Meister überzeugt: „Sie sind ein wichtiger Bestandteil des russischen Krieges, kämpfen aber auch bestimmte Schlachten für sich selbst, um Prestige zu gewinnen in der Öffentlichkeit.“
Wichtig für Russland ist zudem, dass Wagner-Soldaten, die im Kampf gegen die Ukraine umkommen, nicht auf der offiziellen Liste der russischen Gefallenen stehen. Die Zahl der Verluste auf russischer Seite dürfte zusammengenommen mit gefallenen Wagner-Soldaten also vermutlich deutlich höher liegen, als offiziell bestätigt.
Im Video: Ukraine bestätigt Meldung nicht: Wagner-Gruppe verkündet Einnahme von umkämpftem Soledar
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In welchen Ländern ist und war die Gruppe noch im Einsatz?
Die Gruppe soll angeblich bereits in etwa 30 Ländern im Einsatz gewesen sein, meistens um dort Russlands militärische, wirtschaftliche und geopolitische Interessen zu vertreten . Zu den Ländern gehören unter anderem: Syrien, Venezuela, Sudan, Mali, Libyen.
In den Medien wurde zuletzt auch über ein neues Kriegsziel der Wagner-Gruppe berichtet. Laut dem Chef der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Mali, wo die Gruppe auch schon im Einsatz ist, haben die Söldner wohl auch Burkina Faso in den Blick genommen. Im Kampf gegen Dschihadisten soll es dort Interesse an den russischen Söldnern geben.
Ist die Wagner-Gruppe auch eine Gefahr für Russland?
Die Gruppe der Söldner ist in den letzten Monaten immer größer geworden, dazu hat sie – vor allem im Krieg in der Ukraine – an Bedeutung gewonnen. Und auch Prigoschin hat zuletzt immer mehr öffentlich Kritik an der Führung der russischen Armee geübt. Könnte die Wagner-Gruppe also auch eine Gefahr für Russland darstellen?
Nein, sagt Sergej Maier vom RTL-Verifizierungsteam. Und zwar aus einem einfachen Grund: „Weil die Gruppe militärisch nicht autark agiert. Alles wird vom russischen Verteidigungsministerium entschieden. Das bedeutet, dass der Kreml oder das russische Verteidigungsministerium immer noch über die Befehlsgewalt verfügen.“ Zwar verfüge die Gruppe über einiges an Material und Ausrüstung, allerdings gebe es Hinweise darauf, dass Wagner sehr viel Verluste zu verzeichnen habe, die nicht vollständig kompensiert werden können.
„Dass Wagner oder Prigoschin eine Gefahr für Putin oder die russische Führung sind, sehe ich zurzeit nicht. Ohne die Unterstützung des Kremls könnte Wagner nur über wenige Wochen einen Krieg führen,“ so Maier weiter. „Ich sehe Wagner eher als Mittel für den Kreml, Operationen durchzuführen, die man offiziell immer dementieren kann, wie zum Beispiel zurzeit auch in Afrika.“
Kann man etwas gegen die Gruppe unternehmen?
Die Gruppe scheint sehr mächtig und agiert offiziell außerhalb jeglicher Regierungsstrukturen, gibt es trotzdem einen Weg, etwas gegen die Gruppe zu unternehmen?
„Sehr schwer, selbst wenn man sie für illegal erklärt, agieren sie oft in Ländern, wo westliche oder internationale Gerichte keinen Zugriff haben. Die Identitäten sind oft nicht bekannt und sie haben eine eigene Infrastruktur, um in Einsätze und Kriegsgebiete zu reisen,“ sagt Russland-Experte Stefan Meister gegenüber RTL.
Versuche dazu gibt es allerdings schon: So haben die USA die Wagner-Gruppe zuletzt als „bedeutende transnationale kriminelle Organisation“ eingestuft. Viele bekannte Wagner-Söldner stehen bereits auf den Sanktionslisten des Westens.
„Das ist natürlich nicht einfach, weil man Personen identifizieren muss, die mit der Gruppe in Verbindung stehen, um diese dann zu sanktionieren. Das bedeutet für Wagner natürlich, dass es für die Gruppe immer schwieriger wird, den Finanzfluss aufrecht zu erhalten. Dann könnte eine baldige Einstufung als Terrororganisation auch von strafrechtlicher Relevanz sein,“ so Sergej Maier zu einem möglichen Vorgehen gegen die Gruppe.
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