Urteil zu Rechtsterror-Anschlag gefallen

Höchststrafe für Halle-Attentäter Stephan B.

Halle-Attentäter in Magdeburg verurteilt Lebenslange Haftstrafe
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Lebenslange Haftstrafe
Halle-Attentäter in Magdeburg verurteilt

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Besondere Schwere der Schuld

Der rechtsterroristische Anschlag in Halle im Oktober 2019 sorgte weltweit für Entsetzen. Zwei Menschen wurden getötet, Dutzende verletzt und traumatisiert. Gut 14 Monate danach wurde am Montag im Prozess das Urteil verkündet. Der Angeklagte Stephan B. wurde zu lebenslanger Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung verurteilt. Die Richter sprachen den 28-Jährigen am Montag in Magdeburg des zweifachen Mordes und des versuchten Mordes in weiteren zahlreichen Fällen schuldig und stellten außerdem die besondere Schwere der Schuld fest. Damit ist eine vorzeitige Haftentlassung nach 15 Jahren so gut wie ausgeschlossen. Gegen das Urteil kann Revision beim Bundesgerichtshof eingelegt werden.

Richterin: "Alles Menschliche abgelegt"

Es sei ein "feiger Anschlag" gewesen, sagte die Vorsitzende Richterin Ursula Mertens bei der Urteilsverkündung am Montag (mehr dazu hier). Der Angeklagte habe an vielen Stellen seine Taten und Motive relativiert. "Bei Ihnen, Herr B,, gibt es keine Hemmschwellen mehr. Sie haben alles Menschliche abgelegt bei dieser Tat”, so Mertens weiter. Stephan B. hörte der Richterin bei der Urteilssprechung aufmerksam zu, zeigte jedoch keine Regung im Gesicht und begann, sich Notizen zu machen.

Mit dem Urteil folgten Mertens und die vier weiteren Richter der Forderung von Bundesanwaltschaft und Nebenklage. Der Prozess gilt als größtes Strafverfahren in der Geschichte Sachsen-Anhalts. Aus Sicherheits- und Platzgründen hatte das OLG die Verhandlung in den größten Gerichtssaal des Landes in Magdeburg verlegt.

Im Video: RTL-Reporterin Luisa Graf berichtet vom monatelangen Prozess

Halle-Urteil: RTL-Reporterin berichtet aus Prozess Zur Radikalisierung hat er sich ausgeschwiegen
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Zur Radikalisierung hat er sich ausgeschwiegen
Halle-Urteil: RTL-Reporterin berichtet aus Prozess

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Antisemitische und rassistische Verschwörungstheorien

Am 9. Oktober 2019 hatte der Rechtsterrorist versucht, 51 Menschen zu töten, die in der Synagoge von Halle den höchsten jüdischen Feiertag Jom Kippur feierten. Er scheiterte an der massiven Tür, erschoss daraufhin die Passantin Jana L. und später in einem Döner-Imbiss den 20 Jahre alten Auszubildenden Kevin S.. Auf der anschließenden Flucht verletzte er weitere Menschen.

Der Prozess läuft seit Juli vor dem OLG Naumburg, aus Platzgründen findet er jedoch in Magdeburg statt. Der 28-jährige Deutsche Stephan B. hat die Taten gestanden und mit antisemitischen, rassistischen und antifeministischen Verschwörungstheorien begründet. Seine letzten Worte äußerte er am letzten Prozesstag vor dem Urteil – sie schockierten viele Betroffene.

Angeklagter zeigt keine Reue

Das mitanzuhören, war für allem für die vielen Überlebenden und Hinterbliebenen, die dem Prozess im Gerichtssaal folgten, immer wieder eine Zumutung gewesen. Der Angeklagte hatte jede Reue vermissen lassen. Viel mehr betonte er, dass er weitere Menschen töten würde, wenn er die Gelegenheit dazu hätte. Dutzende Überlebende und Hinterbliebene waren ihm im Prozess entgegen getreten und hatten dem Gericht als Zeuge oder als Nebenkläger im Schlussvortrag berichtet, wie sie den Anschlag überlebt hatten und mit welchen Folgen sie zu kämpfen hatten.

+++ Sechster Tag im Prozess zum Halle-Attentat: Stephan B. verteidigt „seine“ Waffen und lacht vor Gericht +++

Überlebende erinnern an die beiden Toten

Unter anderem hatte der Vater von Kevin S. ausgesagt. Kevin war mit einer geistigen Behinderung geboren worden; Ärzte wussten nach Angaben seines Vaters lange nicht, ob er das Erwachsenenalter überhaupt erreichen würde. Der Vater schilderte vor Gericht, wie Kevin und die Familie nie aufgaben, wie er das Erwachsenenalter erreichte und nach langem Kampf und mit Hilfe seiner Familie sogar eine Ausbildungsstelle fand. Kurz nachdem er sie antrat, wurde er erschossen, als er im Döner-Imbiss zu Mittag aß.

Die Angehörigen von Jana L. waren nicht am Prozess beteiligt, ihr Name fiel dennoch ständig im Verfahren. Jana wurde von einer Freundin im RTL-Interview als fröhlicher Mensch beschrieben, die gerne Musik hörte und Autogrammkarten sammelte. Sie ging am Tag des Anschlags zufällig an der Synagoge vorbei, als der Terrorist versuchte einzudringen. Sie erkannte, wie viele an diesem Tag, den Attentäter aber nicht als solchen, machte eine beiläufige Bemerkung und ging vorbei. Der Terrorist tötete sie dann mit Schüssen in der Rücken. Alle Überlebenden, die vor Gericht aussagten, erinnerten an die beiden Toten.

Anders als Kevin hatte der Angeklagte sich nach zwei gescheiterten Anläufen eines Studiums nicht mehr um eine Ausbildung oder einen Arbeitsplatz bemüht. Anders als Jana hatte er, wie der Prozess zeigte, auch weder Freunde noch Hobbys. Abwechselnd wohnte er im Haus seines Vaters und in der Wohnung seiner Mutter. Die Eltern machten vor Gericht von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Die Nebenklage glaubte dem Angeklagten nicht, dass seine Eltern nichts von seinen Plänen gewusst hatten. Die Waffen, die er zum Anschlag nutzte, hatte er bei ihnen gebaut und versteckt.

Das Verfahren gilt als größter und meist beachteter Prozess in der Geschichte Sachsen-Anhalts. 79 Zeugen und 15 Sachverständige befragte das Gericht, 45 Überlebende und Hinterbliebene wurden als Nebenkläger zugelassen, vertreten von 23 Anwälten.