Unrechtmäßig abgeschoben: Das müssen Sie über den Fall Sami A. wissen
Ist Sami A. ein Terrorist oder ein Opfer?
Erst ist der tunesische Gefährder Sami S. abgeschoben worden, dann erklärte das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen die Abschiebung des ehemaligen Leibwächters von Osama bin Laden für rechtswidrig. Jetzt sollen die Behörden den Mann zurückholen. Das könnte aber kompliziert werden, denn die tunesische Justiz will ihn gar nicht zurückschicken. In seinem Heimatland droht ihm Folter.
Wer ist Sami A. überhaupt?
Die einen sehen in ihm einen Terroristen, die anderen ein Opfer von Behördenwillkür. Sami A. wurde 1976 in Tunesien geboren und kam 1997 nach Deutschland, um Textiltechnik, später Technische Informatik und Elektrotechnik zu studieren. Seit 2005 lebt der Mann in Bochum – zusammen mit seiner Ehefrau und seinen vier Kindern.
Was wird Sami A. vorgeworfen?
Der Tunesier soll Ende 1999/Anfang 2000 in einem Al-Kaida-Lager in Afghanistan zum Terrorkämpfer ausgebildet worden sein. Zeitweise soll er sogar der Leibgarde von Osama bin Laden angehört haben. Auch nach seiner Zeit bei der Terrororganisation soll er weiter Kontakt zu radikalen Kreisen gehalten haben. Sami A. bestreitet das. Ein Ermittlungsverfahren gegen ihn wurde aber wieder eingestellt. Trotzdem halten die Behörden ihn für einen islamistischen Gefährder.
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Was genau lief bei seiner Abschiebung schief?
Am 20. Juni ordnete das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) an, die Abschiebung zu vollziehen. Damit lag die Sache bei der zuständigen Ausländerbehörde in Bochum. Während die Vorbereitungen liefen, wurden am Verwaltungsgericht Gelsenkirchen aber noch drei Klagen von Sami A. verhandelt. Solange es kein Urteil gab, hätte Sami A. nicht abgeschoben werden dürfen. Als das Urteil dann aber am 13. Juli an die Beteiligten versendet wird, ist der Tunesier aber schon nicht mehr in Deutschland.
Wie begründet das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen seine Entscheidung?
Das Gericht hält die Abschiebung von Sami A. für unzulässig, weil ihm in Tunesien erhebliche Gefahr, zum Beispiel durch Folter, droht. In so einem Fall verbietet das deutsche Recht eine Abschiebung. Ob Sami A. früher für einen Top-Terroristen arbeitete oder ein radikaler Gefährder ist, spielt dabei keine Rolle. Dass die Behörden Sami A. dennoch abgeschoben haben, ist deshalb aus Sicht des Gerichts "grob rechtswidrig", weil es "grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien" verletzt.
Droht Sami A. tatsächlich Folter?
Menschenrechtsorganisationen wie "Amnesty International" und "Human Rights Watch" kritisieren immer wieder Fälle von Folter durch die tunesische Polizei und Sicherheitskräfte. Zwar gebe es keine systematische Folter mehr, wie noch unter Zeiten des Diktators Ben Ali, aber gerade unter Verweis auf die nationale Sicherheit käme es vereinzelt zu brutalen Verhörmethoden.
Lässt Tunesien Sami A. zurück nach Deutschland?
Es sieht nicht gut aus. "Wir haben eine souveräne Justiz, die gegen ihn ermittelt", sagte der Sprecher der tunesischen Anti-Terror-Behörde. Es lägen Informationen vor, die geklärt werden müssten – beispielsweise ob Sami A. an "terroristischen Aktivitäten" beteiligt war. Allerdings wollen auch viele Tunesier keine islamistischen Gefährder oder Straftäter im Land haben. Sie fürchten, dass diese eine Gefahr für ihre Sicherheit darstellen könnte. Die Gefängnisse sind bereits vielerorts überfüllt. Immer wieder kommt es auch in Tunesien zu Anschlägen und Angriffen auf Sicherheitskräfte.
Wie geht es jetzt weiter?
Nach tunesischem Recht wäre es den Behörden möglich, Sami A. maximal 15 Tage festzuhalten, ohne ihn einem Richter vorzuführen. Seine deutsche Anwältin geht davon aus, dass ihm anschließend, wenn er wieder auf freiem Fuß ist, ein Visum zur Rückkehr nach Deutschland ausgestellt werden müsse. Das NRW-Flüchtlingsministerium will jedoch beim Oberverwaltungsgericht in Münster Beschwerde einlegen, zusammen mit der Ausländerbehörde in Bochum. Das Tauziehen geht also weiter.