Immer noch Tabu in Partnerschaft
Tipps vom Psychotherapeuten: Wie Sie in Beziehungen über Geld sprechen
von Vera Dünnwald
Preise für Strom und Gas steigen, die Energiekrise ist in vollem Gange und dann gibt es ja auch noch hohe Inflationsraten. Viele Menschen machen sich aktuell Sorgen und sind verunsichert: Wie komme ich im Winter über die Runden? An welcher Stelle kann ich mehr Geld sparen? Denn: „Wir alle müssen in Anbetracht der aktuellen Situation sparsamer sein und den Gürtel enger schnallen“, sagt auch Psychotherapeut und Buchautor („ Glücklich reich sein“*) Dr. Wolfgang Krüger.
Das Problem: Gerade in Beziehungen bringt das Thema Geld gewaltig viel Konfliktpotenzial mit sich. Was also tun, wenn die Beziehung frisch ist und man noch gar nicht über Geld gesprochen hat? Das – sowie wichtige Tipps und Tricks – hat der Experte im RTL-Interview verraten.
Mein Geld, dein Geld und unser Geld: Diese Regel hilft - doch vorher muss erst einmal über Geld gesprochen werden
Erst mal vorab: „Geld an sich muss kein Trennungsgrund sein – auch wenn die Ansichten unterschiedlich sind. Man kann versuchen, das zu klären“, sagt Dr. Wolfgang Krüger gegenüber RTL. Eine gute Hilfestellung leistet dabei die Dreier-Regel: Mein Geld, dein Geld, unser Geld. Diese Regel sei sinnvoll, um in Partnerschaften einen gewissen Spielraum zu ermöglichen. Jeder gibt sein eigenes Geld für die Dinge aus, die ihm gefallen und jeder legt so viel Geld auf sein eigenes Konto zurück, wie er möchte. Vom gemeinsamen Konto können dann gemeinsame Ausgaben getätigt oder aber auch gespart werden. So weit, so logisch.
Um die Dreier-Regel zu etablieren, braucht es jedoch erst einmal ein Gespräch. Krüger erklärt: „Es muss über Geld gesprochen werden. Ein solches Gespräch findet oft nicht statt – oder nicht ausreichend genug. Was empfindet man, wenn man an Geld denkt? Wie viel brauche ich für die innere Unabhängigkeit?“ Erst, wenn beide eine sachliche Einstellung entwickelt haben, bekomme man auch eine gute Geldeinstellung. „Das muss vor allem jetzt unbedingt neu verhandelt werden, da ein neues Gleichgewicht hergestellt werden muss. Geld bedeutet Sicherheit, vor allem jetzt, aber auch in puncto Altersvorsorge und Notfälle. Wie viel Geld brauchen wir dafür? Da müssen besonders in langfristigen Partnerschaften die Karten noch mal neu auf den Tisch gelegt werden.“
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Geld führt zu Konflikten in Partnerschaften, daher ist wichtig: Lernen Sie Geldgewohnheiten kennen!
Geld führe fast immer zu Konflikten in Partnerschaften. Das Hauptproblem dabei: „Man kann die Thematik zwar augenscheinlich leicht umgehen, indem man verschiedene Konten hat. Aber Geld ist Charaktersache. Und wir haben immer unterschätzt, dass das Geld eine psychologische Grundlage hat.“ Damit meint der Psychotherapeut, dass das Thema noch immer mehr oder weniger ein Tabu ist. Auch wenn die Kommunikation darüber teils offener geworden ist: Der bekannte Spruch „Über Geld redet man nicht“ spielt auch im Jahr 2022 weiterhin eine Rolle.
Und: „Geld ausgeben ist etwas, was zutiefst mit unserer Persönlichkeit zu tun hat, mit unseren Lebensprägungen und unserer Kindheit. Es ist daher ausgesprochen schwierig, die Geldeinstellung eines anderen Menschen zu verändern“, so Krüger. Deswegen wäre es eigentlich wichtig, von Anfang an zu schauen, welche Geldhaltung der Partner hat – sonst führe das Thema Geld zu Dauerproblemen.
Schwierig wird es auch, wenn beide die Geldgewohnheiten des jeweils anderen als Bedrohung wahrnehmen. Dann nähert sich keiner an. Wichtig sei daher zu schauen: Wie wurde zu Hause, in der Kindheit, über Geld gesprochen? Welche Rolle spielte es? Denn dahinter stecken Prägungen, die uns noch heute begleiten. Krüger sagt: „Es ist wichtig, dass wir den anderen erst einmal verstehen, bevor wir ihn ändern wollen. In manchen Familien ist Geld eine Art Beziehungsersatz gewesen: Gab es gute Noten, winkte das Extra-Taschengeld. Oder aber man war an wenig Geld gewöhnt und jeder Penny musste umgedreht werden, sodass auch im Erwachsenenalter eine Angst vor Armut mitschwingt.“ Dies könnte in Beziehungen vor allem jetzt, wenn die Angst vor der Inflation dazukommt, zum Thema werden.
Der Tipp des Psychotherapeuten lautet daher: „Finden Sie einen Einstieg und lassen Sie Ihren Partner erzählen, was er erlebt hat. Wenn wir eine Änderung wollen, müssen wir unser Gegenüber emotional erreichen. Wenn es sich dann verstanden fühlt, lässt sich leichter über Geld sprechen. Dann kann man sagen: ‘Hey, bei mir war es anders, wie kriegen wir nun einen guten Kompromiss hin?’“
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Nicht immer nur Konfliktpotenzial: Beide Parteien können auch voneinander profitieren
Ebenfalls problematisch: Viele Paare wissen gar nicht genau, wie viel der andere verdient. „Meist redet man von ungefähren Beträgen, man macht da immer noch viel zu häufig ein Geheimnis drum. Wenn mehr Klartext gesprochen wird, von wegen ‘Ich habe so und so viel Geld, mir gehört das und das’ – dann ist das ein guter Schritt in die richtige Richtung“, erklärt Krüger. Geht man offener mit seiner Finanzlage um, könne man auch das Thema Sparen ganz anders angehen.
Trotzdem: Bestimmte Differenzen, dass der eine eher sparsam lebt und der andere sich gerne Dinge gönnt, müssen gar nicht immer nur schlecht sein. „Wenn man sich auf die Mitte einigt, dann ist das wunderbar. Beide können so durchaus voneinander profitieren: Der eine von der Sparsamkeit, der andere von der Lebensfreude.“ Krüger erklärt, dass es genau solche Anpassungsprozesse seien, die eine gute Partnerschaft ausmachen. „Man lernt voneinander, entwickelt sich gemeinsam weiter und die Lebens- sowie Geldgewohnheiten gleichen sich dann an.“
Wie spricht man das Thema Geld am besten an?
Die Frage aller Fragen: Wie redet man überhaupt am besten über Geld? „Noch bevor eine Konversation stattfindet, sollte man seine eigene Geldeinstellung verstehen lernen“, erklärt Krüger. Und: Wir alle seien beim Thema Geld zu zögerlich: „Oft heißt es: ‘Ich müsste mich eigentlich mal mit Aktien oder mit Anlagen beschäftigen.’ Doch am Ende tun wir es nicht, weil wir uns nicht gerne mit Geld auseinandersetzen. Wir müssen Lust darauf bekommen. Leider sind wir Menschen oft nicht so mutig, dass wir entschlossen Lebensziele umsetzen – das gilt auch für den Job oder sonstige Veränderungen.“ Das müsse man laut Krüger ändern.
Vor allem auch in Bezug auf die Zukunft: „Die Leute betreiben generell zu wenig Vorsorge.“ Krüger sagt, dass hier auch die Geschlechterrollen noch immer ein Problem darstellen: „Oft sind es noch immer die Männer, die sich intensiver mit solchen Themen auseinandersetzen.“
Zudem steige momentan die Zahl der Frauen, die mehr verdienen als ihr Partner. „Das bringt zwei Probleme mit sich: Männer können damit schlecht umgehen und sind oft gekränkt, was die Frauen wissen. Wenn Männer mehr Geld verdienen, sprechen sie von ‘meinem Geld’. Wenn Frauen mehr verdienen, sprechen sie von ‘unserem Geld’. Während Männer oft mit vor Stolz geschwellter Brust durch die Gegend laufen, nehmen Frauen die Empfindlichkeit der Männer, die beim Thema Geld aufkommt, wahr und verstecken sich oder verheimlichen, wie viel sie wirklich haben. Das muss nicht sein.“
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Wichtiger Praxis-Tipp des Psychotherapeuten
Ein wichtiger Tipp, den sowohl Paare als auch Singles befolgen sollten: „Legen Sie sich ein Haushaltsbuch zu und checken Sie regelmäßig Ihre Ausgaben. Das hat ein hohes Sparpotenzial und stellt auf den Prüfstand, wie viel Geld wirklich ausgegeben wird. Manchmal kommt hier das Motto ‘Weniger ist mehr’ ins Spiel, denn vielleicht lässt sich dieselbe Lebensqualität mit weniger Geld behalten. Besonders in der aktuellen Zeit.“
"Geld ist wichtig - aber nicht das Allerwichtigste"
Geldsorgen können dazu führen, dass nicht nur das Lebensglück bedroht ist – sondern sie können uns sogar krank machen. Der Psychotherapeut erklärt: „Das betrifft besonders diejenigen, die unter die Armutsgrenze fallen. Aber auch in der Mittelschicht herrscht aktuell Verunsicherung, was die Zukunft bringen wird. Wir müssen daher lernen, mit weniger Geld auszukommen.“ Heißt: Wir müssen, wenn es hart auf hart kommt, unseren Konsum herunterfahren.
„Man kann auch mit weniger zufrieden sein. Die meisten schönen und wichtigen Dinge im Leben, die wir brauchen, kosten eigentlich nichts. Die Gesundheit, die Liebe, die Freundschaften, die Werte, die wir vertreten, der Sinn des Lebens, den wir haben – all das sind Dinge, die letztendlich zentraler sind als das Geld“, sagt Krüger. Erst, wenn wir wissen: Das Geld steht im Leben an zweiter Stelle, bekommen wir eine gute Grundeinstellung. „Wenn sich das Blatt wendet und das Geld an erster Stelle steht, gerät unser Leben in eine Schieflage. Das Geld darf nur dazu da sein, dass wir uns Lebensziele verwirklichen, quasi wie ein Treibstoff. Trotz der völlig legitimen Sorgen, die wir vielleicht haben, sollten wir uns vor Augen führen, dass Geld wichtig ist – aber eben nicht das Allerwichtigste.“
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