Team Wallraff: Undercover im Sankt Josef-Heim der Münchenstift GmbH
Menschenunwürdige Zustände trotz Bestnoten
Rund 2,5 Millionen pflegebedürftiger Menschen gibt es in Deutschland – Tendenz steigend. 30 Prozent davon sind in Altenheimen untergebracht. Für Undercover-Reporterin Pia Osterhaus ein Grund, sich in deutschen Altenpflegeheimen einmal genauer umzuschauen. Neun Monate lang hat sie sich in namhafte und besonders gut bewertete Pflegeheime eingeschleust.
Als Praktikantin arbeitet sie unter anderem im Sankt Josef-Heim der Münchenstift GmbH. Eine gemeinnützige Tochtergesellschaft mit gutem Ruf, vom medizinischen Dienst der Krankenkassen (MDK) mit der Note 1,0 bewertet. Ein Pflegeplatz kostet hier zwischen 2500 und 4000 Euro. Zum Zeitpunkt der Dreharbeiten kamen auf 2-3 Pfleger rund 40 Patienten. Damit ist oft nicht genug Zeit für die gesamte Morgenpflege, insbesondere schwieriger und dementer Patienten. Pflegbedürftige und einsame Menschen müssen hier im Akkord versorgt werden. Die Pfleger sind chronisch überfordert und unterbesetzt. Pia Osterhaus: „Ich hatte den Eindruck, dass hier oft nicht einmal Zeit für das Nötigste war.“
Die RTL-Reporterin findet eine 92-Jährige vor, die seit Stunden im durchnässten Bett sitzt, tägliches Duschen oder Baden ist nicht möglich. Die Nerven der Pfleger im Wettlauf gegen die Zeit werden gerade mit schwierigen Patienten oft auf die Probe gestellt. Pflegerin Jessica W. und weitere Kollegen entdecken bei solchen Bewohnern zum Teil blaue Flecken. Die Folge von blutverdünnenden Medikamenten oder womöglich grobe Behandlung?
Über mögliche Gewalt möchte mit Pia Osterhaus jedoch niemand sprechen. Jessica W. bedauert, dass oft gerichtsverwertbare Beweise fehlen. Schließlich ermittelt sogar die Polizei wegen eines Bewohners mit Brillenhämatomen. Kollegen hatten die Beschwerde des Patienten, der behauptete, geschlagen worden zu sein, weitergegeben. Laut Recherche der Undercover-Reporterin fanden jedoch entscheidende Untersuchungen, wie eine Computertomographie, nicht statt. Laut Auskunft der Einrichtung werden die Ermittlungen voraussichtlich eingestellt.
Über Wochen hatte Reporterin Osterhaus der Heimaufsicht in München anonyme Meldungen über die Missstände in dem Heim zukommen lassen – keine Reaktion. Generell weist das Haus alle Vorwürfe im Rahmen der angefragten Stellungnahme zurück.