Realität und Fiktion

Sisi-Faktencheck: Wie war das wirklich mit der Kaiserin?

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Wunderschön und sattelfest: Wie war das wirklich mit Sisi?

von Tobias Elsaesser

Sisi, nicht Sissi? Sieht erstmal komisch aus, stimmt aber, wie eine Schnupftabakdose aus dem Besitz der Kaiserin Elisabeth von Österreich zeigt. Und dieses dritte „s“ im Spitznamen der berühmten, mythen- und mysterienumrankten Kaiserin ist nicht der einzige Unterschied zwischen der Filmfigur von Romy Schneider und der von Dominique Devenport, und auch nicht der einzige Unterschied zwischen Fiktion und Realität. Die RTL-Serie „Sisi“ räumt auf mit vielen Sissi-Mythen. Aber entspricht sie den tatsächlichen Geschehnissen?

Stimmt das, was wir da in der „Sisi“-Serie und den „Sissi-“Filmen gezeigt bekommen?

Schwer zu sagen für Hobby-Historiker. Es gibt keine Filmaufnahmen aus jener Zeit und auch keine Porträts oder Fotos, die nach dem 30. Geburtstag von Kaiserin Elisabeth entstanden sind, zumindest keine Fotos, auf denen ihr Gesicht zu sehen ist. Aber jeder Mensch altert und über die Schönheit, das Charisma und die Aura der Kaiserin zu ihren Lebzeiten besteht kein Zweifel. Auch nicht über den Kult, den Sisi um ihre Schönheit betrieb. Und auch ihr Fitnesswahn, ihre Marathon-Wanderungen und ihre herausragenden Fähigkeiten als Reiterin sind verbürgt. Doch wie nah ist die „Sisi“-Serie an der Realität – so weit sich das überhaupt feststellen lässt?

Wen sollte Franz heiraten?

Die Legende will es, dass eigentlich Sisis große Schwester Helene, genannt Néné, Kaiser Franz Joseph von Österreich heiraten sollte. Sisi soll ihre Schwester lediglich begleitet haben. So wird es in der RTL-Serie „Sisi“ wie auch im ersten „Sissi“-Film von Ernst Marischka auch erzählt.

Es war zu jener Zeit nicht unüblich, dass der Adelsstand seine Kinder so verheiratete, wie es politisch nützlich und standesgemäß förderlich war. In der erhaltenen Korrespondenz von Herzogin Ludovika, der Mutter von Sisi und Néné, und von Erzherzogin Sophie, der Mutter von Kaiser Franz Joseph, lassen sich jedoch keine Hinweise auf eine geplante Vermählung von Franz Joseph und Helene finden.

Vielmehr war es wohl so, dass der junge Kaiser an jenem Abend in Ischl, salopp formuliert, die freie Wahl hatte. Er entschied sich für Sisi. Dafür, dass Helene ihrer jüngeren Schwester dies übel genommen haben soll, gibt es keine Belege.

Die beiden Schwestern sollen sich weiterhin gut verstanden und ein enges Verhältnis gepflegt haben. Sisi war auch die letzte, mit der Helene sprach, bevor sie 1890 starb. Sisis Tochter hielt die letzten Worte der Schwestern in ihrem Tagebuch fest: „‘Wir mussten in unserem Leben ein paar harte Schläge wegstecken‘, sagte Mama. ‚Ja, aber wir haben Herz bewiesen‘, antwortete Tante Néné.“

Lese-Tipp: Sisi war übrigens nicht die Einzige – Kaiser Franz und seine Affären

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Dominique Devenport als Sisi
Dominique Devenport als Sisi, die ihrer Schwester Helene (Pauline Rénevier, im Hintergrund) die Show stiehlt.
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Wer war Fanny? Holte Sisi eine Hure an den Hof?

Es ist eine Szene der Serie, die in Erinnerung bleibt und in den eher braven „Sissi“-Filmen natürlich nicht vorkommt: Sisi reitet dem Kaiser hinterher und muss feststellen, dass ihren Franz Joseph unterwegs ein Bedürfnis überkommt, das er prompt im nächstgelegenen Freudenhaus befriedigen möchte. Die junge Elisabeth – gefangen im Rollenverständnis des ausgehenden 19. Jahrhunderts und sexuell unerfahren – versucht, aus dieser schockierenden Beobachtung das Beste zu machen: Sie bezahlt die betreffende Freudendame zunächst für einen Rat in Sachen Sex und holt sie sogar später als Zofe und Vertraute an den Hof. Schöne Geschichte, aber leider erfunden.

Aber es gab tatsächlich eine Fanny in Sisis Leben, und deren Geschichte ist fast noch schöner, denn sie nimmt kein tragisches Ende. Franziska „Fanny“ Feifalik stammte aus einfachen Verhältnissen. Wie ihr Vater lernte sie das Friseurhandwerk, fiel durch ihre Begabung auf und fand Anstellung am Wiener Burgtheater. Bei einem Theaterbesuch zeigte sich die Kaiserin fasziniert von der Frisur der Hauptdarstellerin und wollte wissen, wer dahintersteckte.

Anschließend engagierte sie Fanny als ihre persönliche Friseurin. Fanny und Sissi waren beinahe gleich alt und von ähnlicher Statur und Schönheit. Fanny wurde bald die engste Vertraute der Kaiserin, begleitete sie auf all ihren Reisen und trat gelegentlich als Doppelgängerin Sisis auf. Für ihre Freundin und Friseurin brach die Kaiserin die Regeln. Als Fanny heiratete, durfte sie weiter für Sisi arbeiten, obwohl die Gesellschafterinnen der Kaiserin eigentlich unverheiratet sein mussten. Im Dezember 1896 ging Fanny schließlich in den Ruhestand, erhielt eine großzügige Rente vom Hof. Fanny Feifalik starb am 14. Juli 1911.

Erzherzogin Sophie, die böse Schwiegermutter?

Die „Sissi“-Filme mit Romy Schneider nährten den Mythos der bösen Schwiegermutter, Erzherzogin Sophie, die die junge Elisabeth nicht für Rolle der Kaiserin geeignet fand, die sich gegen Elisabeths Willen in die Kindererziehung einmischt, ihr die Kinder sogar vorenthält und ihrem Sohn schließlich sogar dazu rät, sich nach einer neuen Frau umzuschauen. Doch was ist an dem Mythos wirklich dran?

Wahr ist, dass Sophie – genau wie ihre Schwester und Sisis Mutter, Herzogin Ludovika, große Bedenken hatten, ob die junge Elisabeth der Rolle als Kaiserin gewachsen wäre. Eine verständliche Sorge, denn Elisabeths Erziehung war nicht auf eine solche Rolle ausgerichtet. Zumal Elisabeth bei der Verlobung erst 15, bei der Eheschließung wenig später gerade mal 16 Jahre alt war.

Briefe der Erzherzogin an Familienmitglieder enthalten kein böses Wort über Sisi. Darüber hinaus war Sophie sehr dafür, dass Elisabeth sich selbst um die Erziehung ihrer Kinder kümmern sollte. Es war eher so, dass die Kaiserin selbst ihrer Mutterrolle nur bedingt nachkam. Zwar sorgte Sisi dafür, dass ihr Sohn Rudolf der Erziehungshölle des gnadenlosen militärischen Drills entkam, danach kümmerte sie sich aber wieder ausschließlich um sich selbst – ihre Haare, ihre Pferde, ihren Sport und ihre Reisen.

Erzherzogin Sophie hatte ihren Sohn im Griff, auch wenn dieser der Kaiser war. Und ebenso wollte sie sicherlich, dass Sisi nach den Regeln und Gepflogenheiten der höfischen Etikette „funktionierte“. Diese empfand Sisi von beginn an wie einen Käfig, und dem wollte sie entkommen. Es überrascht von daher nicht, dass Elisabeth Sophie als die böse Schwiegermutter empfand und sie ihrer späteren Hofdame und Vertrauten Marie Gräfin von Festetics gegenüber als „bösartig“ beschrieb.

 Dominique Devenport und Jannik Schümann bei der Premiere der 2. Staffel der RTL Streaming-Serie Sisi im Parkhotel Schönbrunn. Wien, 14.12.2022 *** Dominique Devenport and Jannik Schümann at the premiere of season 2 of the RTL streaming series Sisi a
Dominique Devenport und Jannik Schümann bei der Premiere der 2. Staffel der RTL+ Streaming-Serie Sisi
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Gab es Attentate auf Kaiser Franz Joseph?

Das Leben des jungen Kaisers war tatsächlich in Gefahr. Nach der gewaltsamen Niederschlagung der ungarischen Revolution von 1848/49 ließ er die Verantwortlichen exekutieren. In Wahrheit war er dabei nicht anwesend, gab aber den Befehl. Zwar war die kriegerische Auseinandersetzung mit den Ungarn vorbei, die Spannungen aber hielten an. Viele Ungarn sannen auf Rache. Das historisch verbürgte Attentat des Schneidergesellen János Libényi ereignete sich bereits im Februar 1853, und damit ein halbes Jahr vor der Verlobung von Sisi und Franz in Ischl. Die Darstellung in der Serie dient der dramatischen Verdichtung. Sie soll verdeutlichen, dass der Kaiser aufgrund seiner harten Politik gegenüber Ungarn dort sehr verhasst war. Außerdem bereitet sie den dramaturgischen Weg für den Ausgleich Österreichs mit Ungarn, der tatsächlich auf Bestreben Sisis möglich wurde.