Russlands "blutige Wunde": Abzug sowjetischer Truppen aus Afghanistan vor 25 Jahren
Über eine Million Tote
Vor genau 25 Jahren, am 15.05.1988, begann der Abzug der Sowjets aus Afghanistan. Als rund ein Jahr später die letzten Truppen die Grenze überquerten, waren dem Krieg 14.000 Sowjets zum Opfer gefallen, Zehntausende waren verwundet. Auch die Afghanen hatten große Verluste zu beklagen: Eine Million Menschen waren gestorben, fünf Millionen zu Flüchtlingen geworden. Trotzdem wurde der Abzug als Sieg gefeiert. Als Michail Gorbatschow 1986 die Kommunistische Partei der Sowjetunion anführte sprach er von Afghanistan als "unsere blutige Wunde".
Der sowjetische Außenminister Eduard Schewardnadse urteilte ein Jahr nach dem Abzug der Truppen: "Noch heute sehe ich vor mir, wie die Leute massakriert wurden, die vielen Opfer auf beiden Seiten, all die zerstörten Häuser und Städte. Das war Barbarei." Schewardnadse und Gorbatschow waren von Anfang an gegen den Einmarsch in Afghanistan. Trotzdem dauerte es 15 Jahre, bis die Sowjets sich zurückzogen. Wie aber konnte es überhaupt zu einem Krieg kommen?
Rückblick: Ende der siebziger Jahre ist Afghanistan eines der rückständigsten Länder der Welt und von der Sowjetunion abhängig. Das Land erhält Kredite, wird politisch unterstützt, lässt sogar seine Armee von den Sowjets schulen. Premier Dauds Außenpolitik aber stößt bei den Sowjets auf Ablehnung. Unter sowjetischen Druck wird die gespaltene Demokratische Volkspartei (DVPA) wiedervereint. Daud lässt die Parteiführung verhaften, wird aber kurz darauf gestürzt.
Obwohl Moskau zuerst Babrak Karmal und seine Parcham-Fraktion favorisiert, wird er von Nur Muhammad Taraki, Gründungsmitglied der DVPA, ausgestochen. Karmal wird ausgeschaltet, Taraki Ministerpräsident. Als der ehemalige Geheimdienstchef Hafizullah Amin Tarakis zum Rücktritt drängt, will Moskau vermitteln. Amin aber schießt seinen Rivalen erst nieder, lässt ihn dann im Krankenhaus erdrosseln. Das sowjetische Vertrauen in Amin ist erschüttert. Gleichzeitig wächst im Land der Widerstand gegen das sozialistische und moskautreue Regime. Afghanistan befindet sich im Bürgerkrieg. Die Mudschaheddin, afghanische Widerstandskämpfer wollen die Regierung stürzen.
Vom Krieg profitierten vor allem die Taliban
Die Sowjets wollen Karmal zurück, stehen unter Zugzwang. Giftanschläge auf Amin misslingen. Am ersten Weihnachtstag 1979 beginnt die Operation 'Sturm 333': Einmarsch der Sowjets. Mitten in der Nacht beginnt der Einsatz, schnell nehmen sie den Palast ein, Amin wird getötet. Kurze Zeit später sind 80.000 Soldaten und 1.800 Panzer in Afghanistan eingetroffen. Die Sowjets wollen im Bürgerkrieg intervenieren.
Die Mudschaheddin erklären den Besatzern den Heiligen Krieg, wollen die afghanische Regierung und die sowjetische Armee bekriegen. Unterstützt werden sie von den USA und Pakistan. Die Sowjets kämpfen jahrelang - vor allem gegen die Bevölkerung. Napalm und Minen werden eingesetzt. Die Kritik wächst.
Vor allem die außenpolitischen Folgen sind enorm. Die UN-Vollversammlung fordert einen "sofortigen, bedingungslosen und vollständigen Abzug". 1980 boykottiert der Westen die Olympischen Sommerspiele in Moskau. Die Sowjets scheinen zu realisieren, dass sie diesen Krieg nicht gewinnen können, begreifen, dass er ihnen schadet.
Trotzdem kündigt Gorbatschow Erst am. 8. Februar 1988 den Abzug an: "Bereits seit längerer Zeit dauert der militärische Konflikt in Afghanistan an. Dies ist einer der schwierigsten und schmerzhaftesten Regionalkonflikte. Jetzt bieten sich allem Anschein nach gewisse Voraussetzungen für dessen politische Regelung."
Frieden herrschte nach dem Abzug nicht. Afghanistan war unregierbar, der Bürgerkrieg zerstörte das Land. Am Ende der Auseinandersetzungen zwischen den verschiedenen Widerstandgruppen, gingen weder die Sowjets, noch die afghanische Regierung oder das afghanische Volk hervor: An Stärke gewannen vor allem die Taliban.