Niedersachsen: Turbulenter Abend bringt Machtwechsel

Hat sich Schwarz-Gelb verrechnet?

Nach einem langen Wahlabend steht fest: Die CDU/FDP-Koalition von Ministerpräsident David McAllister ist nach zehn Jahren abgewählt. Nach der Landtagswahl haben SPD und Grüne im Parlament eine Stimme Mehrheit. Neuer Ministerpräsident wird der bisherige hannoversche Oberbürgermeister Stephan Weil.

Landtagswahl Niedersachsen SPD Weil
SPD-Spitzenkandidat Stephan Weil wird neuer Ministerpräsident in Niedersachsen.
dpa, Peter Steffen

Hat man sich im schwarz-gelben Lager verrechnet? Die Intention vieler CDU-Wähler war klar erkennbar: Ich stärke den schwächelnden Koalitionspartner FDP mit meiner Zweitstimme, denn es sah in den Umfragen so aus, dass die schwarz-gelbe Landesregierung in Niedersachsen an der Macht bleiben würde, wenn nur die FDP in den Landtag kommt. Die CDU stand stark da, in vielen Umfragen kam sie auf 40 Prozent.

In der Prognose von 18.00 Uhr am Wahlabend stellte sich das Ganze so dar, als würde die Rechnung aufgehen. Die CDU hatte stark verloren – der Tribut an den Koalitionspartner – war aber noch immer stärkste Partei. Die FDP konnte dank erfolgreicher Zweitstimmenkampagne zulegen und zog deutlich in den Landtag ein. Aber es deutete sich bereits an, dass es ein langer Abend wird, bis Gewissheit herrscht, denn neben der FDP konnte auch der Wunschpartner der SPD, die Grünen, ein Rekordergebnis in Niedersachsen erzielen.

Am Ende des Abends stand schließlich fest, dass die Zweitstimmenkampagne für Schwarz-Gelb nicht aufging. Nach dem vorläufigen amtlichen Endergebnis verlor die CDU 6,5 Punkte, blieb aber mit 36,0 Prozent stärkste Kraft, gefolgt von der SPD, die auf 32,6 Prozent (plus 2,3) kam. Die Grünen erzielten 13,7 Prozent (plus 5,7), die FDP erreichte 9,9 (plus 1,7) und die Linke 3,1 Prozent (minus 4,0). Mit Überhang- und Ausgleichsmandaten ergibt sich folgende Sitzverteilung: CDU: 54; SPD: 49; Grüne: 20; FDP: 14. Das bedeutet eine Ein-Stimmen-Mehrheit im neuen Landtag für Rot-Grün gegenüber Schwarz-Gelb mit 69 zu 68 Mandaten.

CDU rechnet mit Blockade im Bundesrat

Doppelt ärgerlich für die Union: Man hat ordentlich verloren, um den Koalitionspartner zu stärken, und es hat nicht gereicht. Schwarz-Gelb ist mit einer schmerzhaften Niederlage in das Bundestagswahljahr gestartet. Niedersachsen wird künftig von Rot-Grün regiert. Heute beraten die Parteigremien in Berlin und Hannover über die Konsequenzen, man darf gespannt sein.

Mit dem Sieg macht Rot-Grün acht Monate vor der Bundestagswahl eine Kampfansage an Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Schwarz-Gelb in Berlin. Der in der Kritik stehende SPD-Kanzlerkandidat Peer Steinbrück erhält neuen Auftrieb.

CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe sieht in der verlorenen Landtagswahl in Niedersachsen allerdings kein Signal für den Bundestagswahlkampf. "Wenn Sie die Menschen gefragt haben, das ist gestern in den Wahlanalysen auch zum Ausdruck gekommen, dann hat das eine Weichenstellung für Niedersachsen bedeutet und war keine vorgezogene Bundestagswahl", sagte der Politiker. Die Abwahl der christlich-liberalen Koalition in Hannover sei ein schmerzhaftes Ergebnis gewesen.

Zur Diskussion um die 'Leihstimmen' der CDU-Wähler für die FDP sagte Gröhe: "Es sind nicht unsere Stimmen, es sind die Stimmen der Wählerinnen und Wähler." Aber wenn 80 Prozent der FDP-Wähler gesagt hätten, ihre zentrale Präferenz sei eigentlich die CDU, dann hätten diese Wähler damit die christlich-liberale Koalition stützen wollen.

Auch wenn die Wahl vielleicht kein Signal für die Bundestagswahl war, so hat sie doch deutliche Auswirkungen auf die Bundespolitik. Durch den Wechsel in Niedersachsen verschieben sich die Machtverhältnisse im Bundesrat zulasten von Union und FDP. Sollte die SPD von Spitzenkandidat Stephan Weil und die Grünen wie angekündigt eine Regierung bilden, gäbe es im Bundesrat erstmals seit 1998 eine eigene Mehrheit der nur von SPD, Grünen und Linkspartei regierten Länder.

Dementsprechend rechnet Unionsfraktionschef Volker Kauder mit einer Blockade der SPD in der Länderkammer. "Ich gehe davon aus, dass es im Bundesrat kaum noch möglich sein wird, Vorhaben durchzubringen, die die SPD nicht machen will", sagte Kauder.

"Wir haben jetzt seit Niedersachsen eine eigene Gestaltungsmehrheit", sagte SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Damit könne man im Bundesrat Initiativen ergreifen, sagte er.