Mutter klagt an: "Mein Baby hätte leben können"

Köln: Ärzte ließen Frühchen sterben

Ein Baby wiegt in Schwangerschaftswoche 23 etwas über 500 Gramm und misst 29 Zentimeter. Sein Gehör ist gut ausgebildet. Wenn es so früh zur Welt kommt, hat es, mit der richtigen Versorgung, eine gute 85-Prozent-Chance zu überleben. Genau in dieser, der 23. Woche, kam auch die kleine Charlotte zur Welt. Aber das Kind ist tot. Charlottes Mutter Melanie Lang klagt jetzt an: "Mein Kind hätte eine Chance gehabt, aber keiner hat meinem Mädchen geholfen, weil es eine Woche zur früh kam und deutsche Ärzte meist erst ab Woche 24 helfen."

Melanie Lang, Frühchen-Prozess, Köln-Holweide Krankenhaus.
Melanie Lang sagt, in einem anderen Krankenhaus hätte ihre Tochter Charlotte überleben können. In Köln-Holweide legte man ihr das Baby zum Sterben auf den Bauch. Es kam eine Woche zu früh.

Immer wieder betrachtet Melanie Lang die Ultraschallbilder ihrer kleinen Charlotte. Die Kleine lebte ohne die ärztliche Versorgung nur 54 Minuten, dann starb sie. "Man hat mir damals definitiv gesagt, dass diese Kinder keine Überlebenschance hätten, und deswegen machen sie auch nichts", erzählt Melanie. Völlig falsch, sagt sie heute. In einer anderen Klinik hätte das Kind überleben können.

Mia gaben die Ärzte eine Chance

Auch Mia aus Magdeburg kam in der 23. Schwangerschaftswoche zur Welt. Sie wog mit 360 Gramm sogar noch 100 weniger als Baby Charlotte. Und doch ist Mia heute der ganze Stolz ihrer Eltern. Die Ärzte holten sie per Kaiserschnitt auf die Welt. "Sie hat Pergamenthaut gehabt, man sah die Adern, sie war extrem dünn. Eigentlich kein Baby, sondern nur Knochen mit irgendwas", erinnert sich Natascha, Mias Mutter.

Und doch feierte Mia im Oktober ihren zweiten Geburtstag. Dabei zitterten die Eltern in den ersten Monaten noch häufiger um das Leben ihres Kindes. Mia bekam Hirnblutungen, musste operiert werden, hat noch immer Probleme mit dem Sehen und ist zurückgeblieben in ihrer Entwicklung. Aber Mia lebt. Das ist für ihre Eltern das Wichtigste. Sie ist heute der fröhliche Mittelpunkt der kleinen Familie.

Auch Melanies Frühchen Charlotte hätte ein fröhliches Kind werden können, sie hätte sogar gute Chancen gehabt, glaubt Melanie Lang - im Brutkasten und mit Hilfe der Ärzte. "Sie hat geatmet, sie sah rosig aus. Dann habe ich ihre Atemgeräusche nicht mehr gehört, und das Herzchen hat nicht mehr geschlagen", so Melanie über die wohl schrecklichsten Minuten ihres Lebens. Die Ärzte hätten ihr das Baby einfach zum Sterben auf den Bauch gelegt und seien gegangen.

Auch für einige Medizinethiker ist die Sache klar: "Wenn ein Kind lebend zur Welt kommt, gibt es keinen, der eine Entscheidung trifft. Dann wird alles getan, um das Kind am Leben zu erhalten. Alles andere wäre Tötung", sagt Prof. Eva Brinkschulte. Melanie hofft, dass das Kölner Landgericht das genauso sieht. Im März geht der Prozess weiter.