05. November 2018 - 21:17 Uhr
Seehofer trennt sich von Geheimdienst-Chef
Lange war über die Personalie Hans-Georg-Maaßen spekuliert worden. Jetzt steht fest: Bundesinnenminister Horst Seehofer hat den Verfassungsschutzchef mit sofortiger Wirkung in den einstweiligen Ruhestand versetzt. Seehofer sagte zur Begründung, das am Vortag öffentlich bekannt gewordene Manuskript einer Abschiedsrede Maaßens enthalte "inakzeptable Formulierungen". Aus diesem Grund sei eine vertrauensvolle Zusammenarbeit nicht mehr möglich.
Konsequenzen für Fehltritte Maaßens

Konkret geht es um die Rede Maaßens vor europäischen Geheimdienstchefs am 18. Oktober in Warschau, in der er von teilweise linksradikalen Kräften bei den Sozialdemokraten gesprochen hatte. Für diese seien seine Äußerungen zu den Vorfällen Ende August in Chemnitz willkommener Anlass gewesen, einen Bruch der großen Koalition zu provozieren, so Maaßen. Seehofer nannte dies eine "Grenzüberschreitung". Natürlich sei er in diesem Zusammenhang auch "ein Stück weit menschlich enttäuscht".
In Chemnitz war am 26. August ein 35-jähriger Deutscher mutmaßlich von Asylbewerbern erstochen worden, danach kam es zu Protesten und rechtsextremistischen Übergriffen. Maaßen bezweifelte damals die Echtheit eines Videos, das eine ausländerfeindliche Attacke auf Migranten zeigt, noch bevor seine Behörde die Vorfälle geprüft hatte.
Maaßen im Ruhestand: Wie geht es weiter?

Maaßens bisheriger Stellvertreter Thomas Haldenwang soll vorläufig die Aufgaben des Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz übernehmen, bis zeitnah über die Nachfolge entschieden werde. Bis zur förmlichen Entscheidung des Bundespräsidenten über die Versetzung sei der Verfassungsschutzpräsident von seinen Aufgaben entbunden, sagte Seehofer.
In dem Redemanuskript Maaßens, das RTL vorliegt, heißt es unter anderem: "Ich habe bereits viel an deutscher Medienmanipulation und russischer Desinformation erlebt. Dass aber Politiker und Medien 'Hetzjagden' frei erfinden oder zumindest ungeprüft diese Falschinformation verbreiten, war für mich eine neue Qualität von Falschberichterstattung in Deutschland". Er habe lediglich klargestellt, dass es nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden in Chemnitz keine derartigen rechtsextremistischen Hetzjagden gegeben habe.
Langes Ringen um Maaßens Zukunft
Die Spitzen von CDU, CSU und SPD hatten sich im September zunächst darauf verständigt, dass Maaßen wegen seiner umstrittenen Äußerungen als Staatssekretär ins Innenministerium wechseln sollte. Nach einer Welle der Empörung beschlossen sie dann, dass der 55-Jährige im Innenministerium im Rang eines Abteilungsleiters für europäische und internationale Aufgaben zuständig sein sollte. Auch diese Einigung war nach den jüngsten Äußerungen Maaßens nicht mehr zu halten. Auch der Druck auf Seehofer war seit dem Wochenende immer weiter gewachsen. Kanzlerin Angela Merkel ließ über ihren Sprecher Steffen Seibert erklären, sie gehe davon aus, dass Seehofer "zeitnah die angemessenen Entscheidungen trifft".
Dass Maaßen die Rede, die er in einer nicht-öffentlichen Veranstaltung mit anderen Chefs europäischer Inlandsnachrichtendienste gehalten hat, im Intranet seiner Behörde veröffentlicht, interpretieren Beobachter als bewusste Provokation.