Misshandlungsvorwürfe gegen Kinderheime in Brandenburg

In den Heimen der Haasenburg GmbH sollen Bewohner nach eigenen Angaben systematisch misshandelt worden sein.
In den Heimen der Haasenburg GmbH sollen Bewohner nach eigenen Angaben systematisch misshandelt worden sein.
dpa, Patrick Pleul

Gesuchte Heimjungen in Hamburger Einrichtung untergekommen

Schrecklicher Vorwurf gegen drei Kinder- und Jugendheimeinrichtungen in Brandenburg: In den Heimen der Haasenburg GmbH sollen Bewohner nach eigenen Angaben systematisch misshandelt worden sein. Drei Jugendliche waren aus einem der betroffenen Heime geflüchtet.

Inzwischen sind die drei Heimjungen durch die Vermittlung einer Hamburger Sozialeinrichtung in einer neuen Bleibe untergekommen: "Sie sind an uns herangetreten und standen vor unserer Tür", sagte die Sprecherin des ‘Rauhen Haus‘ Hamburg, Sylvia Nielsen. Die Polizei führte in den betroffenen Einrichtungen Razzien durch und stellte Unterlagen sicher.

"Es gab eine Vielzahl von Gewalttaten, Fixierungen am Boden - und vor allem Demütigungen", sagte der Hamburger Familienrechtler Rudolf von Bracken. Ein 15-Jähriger und zwei 16-Jährige sollen in einem der Heime Gewalt und Erniedrigung durch ihre Pfleger ausgesetzt gewesen sein. Die Vorwürfe gegen die Heimbetreiber wiegen so schwer, dass Brandenburg die sofortige Schließung der Einrichtungen erwägt. In den Heimen sind Kinder und Jugendliche aus 14 Bundesländern untergebracht.

Ein Haasenburg-Sprecher wollte den Vorfall mit Verweis auf das jugendliche Alter der Betroffenen und deren Persönlichkeitsrechte nicht kommentieren. Ähnlich äußerte sich das Bildungsministerium in Potsdam. "Das zuständige Landesjugendamt ist aber umgehend informiert worden", sagte ein Sprecher.

Eine ehemalige Bewohnerin äußerte sich positiv über ihren Aufenthalt dort. "Mir hat die Zeit dort sehr geholfen", sagte die 25-Jährige Brandenburgerin, die anonym bleiben will. Zwar seien die Regeln streng. Misshandlungen oder Übergriffe habe sie während ihrer dreijährigen Zeit im Heim aber nicht erlebt.

Nach den Linken forderte der FDP-Fraktionsvorsitzende Andreas Büttner die sofortige Schließung der Heime. "Aus meiner Sicht wäre dies bis zur Aufklärung der Vorwürfe angebracht", sagte er in einer Sondersitzung des Bildungsausschusses im Landtag. Dieser soll klären, ob die Behörden ihren Aufsichtspflichten ausreichend nachgekommen sind.

"Wir sollten prüfen, ob solche Heime im äußersten Fall notwendig sind“, sagte Bildungsministerin Martina Münch (SPD). Das Konzept und die Kontrollmechanismen müssten überprüft werden. Sie warnte jedoch vor einem Schnellschuss. "Es gibt keine schnellen und einfachen Antworten“, betonte sie. Ziel müsse es jedoch sein, die Vorwürfe umfassend aufzuklären - und ein pädagogisch sinnvolles Konzept anzubieten. Dazu beitragen soll ein sechsköpfiges Gremium mit Experten aus den Bereichen Pädagogik, Psychiatrie und Justiz. Die unabhängige Untersuchungskommission hat in der vergangenen Woche ihre Arbeit aufgenommen. Münch erwartet ihren Bericht zum Jahresende.

Betroffene Heime schon in der Vergangenheit aufgefallen

Insgesamt durchsuchten rund 50 Polizeibeamte und vier Staatsanwälte drei Heime der Haasenburg GmbH in Jessern, Neuendorf in Unterspreewald (Kreis Dahme-Spreewald) und in Müncheberg (Kreis Märkisch-Oderland) sowie ein Bürogebäude in Lübben. Sie stellten zahlreiche Akten sicher, teilte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft Cottbus mit.

Anlass war die Strafanzeige eines 19-Jährigen, der in dem Heim in Jessern gewesen ist. Außerdem hat die Staatsanwaltschaft ein Verfahren aufgrund eines RBB-Fernsehberichts eingeleitet, in dem eine 19-Jährige von Misshandlungen berichtet hatte. Die Behörde ermittelt nach Angaben einer Sprecherin in sechs Fällen zu Vorwürfen, die bis in das Jahr 2006 zurückreichen. Es geht um Körperverletzung, Misshandlung Schutzbefohlener und Nötigung. Die Vorwürfe richten sich bislang gegen noch nicht näher identifizierte Mitarbeiter der Einrichtungen, hieß es.

Die Geschäftsführer der Haasenburg GmbH würden der Beihilfe zum Mord und Folterungen bezichtigt, Grundlage seien Medienberichte. Zudem würden zwei frühere Todesfälle in den Jahren 2005 und 2008 nochmals untersucht. Von 114 Plätzen in den drei Heimen sind 56 für eine geschlossene Unterbringung vorgesehen. Derzeit sind laut Ministerium 75 Plätze belegt. In der Vergangenheit waren die Heime negativ aufgefallen. "Es gab danach zahlreiche Auflagen vom Landesjugendamt", berichtete Münch. Aktuell habe sie keine Anhaltspunkte für Verstöße. Abgeordnete bezweifelten, ob die Kontrollen ausreichen. Für landesweit etwa 400 Einrichtungen seien lediglich drei Mitarbeiter im Landesjugendamt zuständig, kritisierten die Oppositionsparteien CDU und Grüne.