Mastbetrieb von Wiesenhof: Lebendige Hühner landen im Müll
"In diesem Ausmaß habe ich so etwas noch nie erlebt"
Aufnahmen der Tierschutzorganisation 'Soko Tierschutz' sorgen seit ihrer Ausstrahlung bei 'Stern TV' auf RTL für Aufregung. Sie zeigen kranke Tiere und Kadaver im Stall. Zudem wurde der Inhaber gefilmt, wie er ein flatterndes Tier in den Müllcontainer schleudert. Andere Aufnahmen dokumentieren, wie eine Mitarbeiterin versucht, ein zappelndes Tier an einem Eimer totzuschlagen.
Offensichtlich landeten auf dem Hof regelmäßig lebende Tiere im Müll, sagt Friedrich Mülln von der 'Soko Tierschutz'. "Wir stellten fest, dass das Wegwerfen auf diesem Hof Methode hat." Der Umgang mit den Tieren sei unfassbar. "In diesem Ausmaß habe ich so etwas noch nie erlebt", sagte Mülln. Seit Dezember 2011 hätten die Aktivisten zwölf Hühnchen lebend aus dem Abfallcontainer gerettet. Auf dem Hof lebten etwa 80.000 Tiere.
Wiesenhof hat den Vertrag mit dem bayerischen Landwirt gekündigt und Strafanzeige gestellt, wieder einmal. Denn der Betrieb war schon einmal unangenehm aufgefallen. Die 'Soko' habe schon im Jahr 1999 über den gleichen Hähnchenmastbetrieb wegen Verstößen gegen das Tierschutzgesetz berichtet. Auch damals hätten die Tierschützer Strafanzeige gestellt und Wiesenhof habe dem Betreiber gekündigt - später die Zusammenarbeit aber wieder aufgenommen, sagte Mülln.
Wiesenhof zeigt sich wegen der Vorfälle schockiert und lässt verlauten: " Wir sind zu dem Ergebnis gekommen, dass die auf dem gezeigten Betrieb durchgeführte Art und Weise der Nottötungen an selektierten, nicht lebensfähigen Tieren, einen klaren Verstoß gegen das geltende Tierschutzrecht darstellt. Da wir keinen Verstoß gegen das Tierschutzrecht dulden, hat die PHW-Gruppe sofort nach Bekanntwerden der Vorwürfe die zuständige Behörde informiert, das Vertragsverhältnis mit dem selbständigen Landwirt gekündigt und Strafanzeige gestellt."
Hört sich gut gemeint an, dennoch könnte man einmal nach dem tieferen Sinn hinter Worten wie 'Nottötung' und 'selektiert' fragen. Darüber hinaus weist Wiesenhof in der Stellungnahme darauf hin, dass es "theoretische und praktische Schulungen hinsichtlich des tierschutzgerechten Tötens von nicht lebensfähigen Tieren", wobei sich manchem die Frage aufdrängen könnte, was genau eigentlich "tierschutzgerechtes Töten" ist, ohne sich sofort mit der moralischen Frage auseinanderzusetzen, was es eigentlich mit 'Tierschutz' und 'gerecht' zu tun hat, 80.000 Tiere auf (wohlgemerkt: gesetzesgemäß) engstem Raum zusammenzupferchen, um nichts anderes zu tun, als sie zu Nahrungsmitteln zu verarbeiten.
Knapp ein halbe Milliarde Hühner pro Jahr
Aber auch wenn vielen Tierschützern bei den von Wiesenhof gewählten Worten wie 'Masthühner', 'tiergerechtes Töten' oder 'nicht lebensfähige Tiere', schlecht wird, muss man festhalten, dass der Konzern, wie er selbst sagt, geltendes Tierschutzrecht einhält und keinen "Verstoß gegen das Tierschutzrecht" duldet, indem er diesem aufgeflogenem Betrieb kündigt. Von den zwölf als "nicht lebensfähig" eingestuften Hühnern, die 'Soko Tierschutz' seit 2011 gerettet hat, leben übrigens noch vier auf Gnadenhöfen.
Das 'tiergerechte Töten' von Hühnern in Mastbetrieben entsteht vor allem aufgrund von Kostendruck. Bei einem kranken Rind oder einem kranken Schwein lohnt es sich schon mal den Tierarzt zu holen, bei Hühnern rentiert sich das nicht. Laut 'stern' werden in Deutschland jährlich rund 450 Millionen Hühner (mehr als die Hälfte davon Wiesenhof-Hühner) geschlachtet, 22 Millionen schaffen es gar nicht bis zum Schlachter und verenden im Stall oder beim Transport.
Damit verenden jeden Tag 60.300 für die Nahrung 'produzierte' Tiere, ohne überhaupt ihren Bestimmungszweck zu erfüllen. Und auch diejenigen von ihnen, die 'tierschutzgerecht' getötet werden, müssen leiden. Die 'Soko Tierschutz' schreibt auf ihrer Homepage: "Bis 2010 sah man bei Wiesenhof die Tötung von kranken Tieren durch Genickbruch ohne vorschriftsmäßige Narkose vor. So steht es in internen Unterlagen des Unternehmens und so wurde es auch von ehemaligen Mitarbeitern bestätigt… Nach der Veröffentlichung des ersten Wiesenhof-Skandals im Januar 2010 wurden die Vorschriften geändert. Nun ist eine vorherige Narkose mit einem Holzknüppel oder einem Gummihammer Pflicht für alle Farmer."
Man schlägt den Tieren also den Schädel ein bevor man sie tötet. Das ist nicht human, aber eben 'tierschutzgerecht'. Strafbar macht sich, wer "einem Wirbeltier aus Rohheit erhebliche Schmerzen oder leiden zufügt". Und eine 'Narkose' vor dem Töten ist keine Rohheit, eher so etwas wie 'Gnade'.
Angesichts der Skandale in der Massentierhaltung stellt sich die Frage, ob die Gesetze zum Tierschutz hart genug sind. Und ob die Zuständigkeiten richtig verteilt sind, beziehungsweise die Kette vernünftig funktioniert. Laut 'stern' muss man daran zweifeln: Mit den schrecklichen Bildern aus Bayern konfrontiert verwies das Landwirtschaftsministerium von Ilse Aigner (CSU) auf die Zuständigkeiten der Länder. Tierschutz sei deren "hoheitliche Aufgaben". Das zuständige bayerische Ministerium verweist auf die nächstuntere Ebene, ohne es sich nehmen zu lassen, zu betonen: "Das unberechtigte Zufügen von Schmerzen und Leiden an Tieren ist in keiner Weise akzeptabel." Das stimmt. Nichts dagegen zu tun aber auch.