Missbrauchsfälle im Erzbistum Köln
Kulturwandel in der Kirche? Das sind die Forderungen im lange zurückgehaltenen Gutachten
Kulturwandel in der Kirche gefordert
Dasursprüngliche Gutachten zum Missbrauch im Erzbistum Köln ist lange wegen rechtlicher Gründe zurückgehalten worden. Jetzt hat es der Kölner Kardinal Rainer Maria Woelki erstmals unter strengen Auflagen zur Einsicht freigegeben. Darin wird ein Kulturwandel in der katholischen Kirche gefordert: Das männerdominierte System müsse unterbrochen werden – Frauen in Führungspositionen müssten entgegenwirken, empfiehlt die Münchner Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl.
Vorgänger Joachim Meisner habe kaum Maßnahmen ergriffen
Die Gutachter untersuchten den Umgang von Bistumsverantwortlichen mit Vorwürfen des sexuellen Missbrauchs von Kindern durch Priester. Ihre Untersuchung wurde von Woelki bisher unter Verschluss gehalten, wofür er äußerungsrechtliche Bedenken anführt. Westpfahl Spilker Wastl weist die Vorwürfe zurück. Woelki gab stattdessen ein neues Gutachten bei dem Kölner Strafrechtler Björn Gercke in Auftrag, das in der vergangenen Woche veröffentlicht wurde.
Ebenso wie Gercke sehen auch die Gutachter von Westpfahl Spilker Wastl Pflichtversäumnisse unter anderem bei Woelkis Vorgänger Joachim Meisner (1933-2017). Der von 1989 bis 2014 amtierende Erzbischof von Köln hatte nach Bekanntwerden des Missbrauchsskandals beteuert, „nichts geahnt“ zu haben. Die Münchner Gutachter kommen jedoch zu dem Schluss, dass er die Fälle in seinem Bistum genau kannte. Er habe sich jedesmal tief erschüttert gezeigt, aber kaum Maßnahmen ergriffen, um einer Wiederholung vorzubeugen.
Bistumsverantwortliche bestraften mutmaßliche Täter nicht
Kritisiert wird auch das Verhalten des heutigen Hamburger Erzbischofs Stefan Heße, früher Personalchef in Köln. Heße waren in dem Gercke-Gutachten mehrere Pflichtverletzungen zur Last gelegt worden, woraufhin er den Papst vergangene Woche um seine Entlassung bat. Woelki selbst wird auch von Westpfahl Spilker Wastl nicht belastet.
Die Gutachter dokumentieren auf der einen Seite das Versagen Einzelner: Bistumsverantwortliche gingen demnach Vorwürfen nicht entschieden nach, bestraften die mutmaßlichen Täter nicht und kümmerten sich wenig um die Opfer. Daneben beschäftigen sich die Gutachter aber auch mit der Frage, ob das System katholische Kirche Missbrauch begünstigt.
So regen sie eine kritische Überprüfung des priesterlichen Selbstverständnisses und eine Reform der Priesterausbildung an. Ein Zusammenhang zwischen sexuellem Missbrauch und der vorgeschriebenen Ehelosigkeit der Priester sei nach derzeitigem Kenntnisstand zwar nicht nachweisbar, müsse aber näher untersucht werden. Diskussionswürdig sei auch die teils geradezu paranoide Angst der Kirche vor Öffentlichkeit und der damit verbundene Hang zur Geheimhaltung.
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Münchener Gutachten kann persönlich eingesehen werden
Desweiteren empfehlen die Gutachter die Begrenzung der Amtszeit etwa des Generalvikars - des Verwaltungschefs eines Bistums -, die Professionalisierung von Leitungsfunktionen und eine lückenlose Aktenführung. Unverzichtbar sei zudem der direkte Kontakt kirchlicher Verantwortungsträger mit den Opfern des Missbrauchs. Sie müssten sich dem Leid aussetzen, das diese Menschen erfahren hätten.
Die Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl hat angeboten, das Gutachten auf ihre alleinige Verantwortung auf ihrer Website zu veröffentlichen. Darauf ist Woelki aber nicht eingegangen. Stattdessen gibt er Interessierten nun bis zum 1. April die Gelegenheit, das Gutachten im Tagungszentrum des Erzbistums einzusehen. Schriftliche Notizen sind dabei gestattet, Abschriften nicht.