Llambi zerlegt alte Fußball-Liebe
Wie sich der MSV Duisburg blamiert
Was für eine katastrophale Woche für den MSV Duisburg. Erst kassiert der Fußball-Drittligist gegen 1860 München eine unfassbare Heimklatsche, dann folgt die Blamage im Niederrheinpokal. Edel-Fan Joachim Llambi ist erschüttert über die Entwicklung seines Herzensklubs.
„Wir spielen seit zwei Jahren nur Grütze"
Der MSV Duisburg kehrt mal wieder die Scherben auf. Nun ist es nicht so, als hätten sie mit dieser Tätigkeit keine Erfahrung beim Traditionsklub an Rhein und Ruhr. Nur Spaß daran haben sie nicht. Nach einer schockierenden Fußball-Woche mit einem desaströsen 0:6-Heimdebakel gegen 1860 München und einer peinlichen 0:1-Niederlage im Niederrheinpokal beim Viertligisten SV Straelen entlädt sich beim Drittligisten auf allen Ebenen der harte Frust. Präsident Ingo Wald wetterte bei reviersport.de: „Wir spielen seit zwei Jahren nur Grütze. Wir werden alles auf den Prüfstand stellen.“
Eine Ansage, die schmerzhafte Erkenntnisse zu Tage fördern dürfte. Zum Beispiel für Trainer Hagen Schmidt. Der hatte in dieser Saison schon einmal um seinen Job zittern müssen, dann aber eine überraschende Erfolgsserie hingelegt und zumindest den GAU abgewendet, den Abstieg aus der 3. Liga. Zwar ist der Klassenerhalt noch nicht sicher, aber steht zumindest kurz bevor. Nach der Blamage gestand Schmidt, eine „leblose Mannschaft ohne Willen und Spielfreude“ gesehen zu haben. Es gebe nur zwei bis drei Spieler, die das Spiel gewinnen wollten. Der Coach, seit Mitte Oktober erst im Amt, spürte in Straelen den nächsten „Schlag in die Fresse.“ In einer Saison, in der so viel gegen diesen Klub läuft. Unter anderem der Spielabbruch gegen den VfL Osnabrück. Wegen eines rassistischen Vorfalls auf der Tribüne, der am Ende aber keiner war.
Das sind Sätze, die den wohl prominentesten Fan des Klubs einfach nur fassungslos machen. „Wie kann ich denn als Trainer dieselbe Mannschaft mit denselben Problemen auflaufen lassen, die am Wochenende noch 0:6 gegen 1860 München verloren hat“, ärgert sich Tanzsportexperte Joachim Llambi im Gespräch mit RTL. „Ich verstehe nicht, dass ein Trainer wie Hagen Schmidt, der ja aus dem Nachwuchsbereich kommt, nicht den Hintern in der Hose hat, die junge Garde mal auflaufen zu lassen.“ Top-Talente wie Julian Hettwer (eigene Jugend) oder Alaa Bakir (vom BVB) werden immer erst dann aufs Feld geschickt, wenn die „Kuh schon ins Eis gebrochen ist.“
"Er kann aus Scheiße keine Bonbons machen"
Llambis Urteil: „Hagen Schmidt ist kein Trainer, der zum MSV Duisburg passt“. Nicht für den Rest der Saison. Und erst recht nicht für den Neuaufbau, den Wald nach der Blamage ja quasi ausgerufen hat. Der untermauerte seinen Frust auch noch mit dem existenziellen Leichtsinn seiner Fußballer: „Ich bin fassungslos. Wir haben gerade 300 000 Euro verspielt und das in Zeiten, in denen wir jeden Euro umdrehen müssen“, sagte der Präsident, laut „Reviersport“ den Tränen nahe. Llambi geht bei seiner Einschätzung zu Schmidt sogar noch einen Schritt weiter. „Das hat von Anfang an nicht gepasst.“
Eine Fehlentscheidung der Bosse, wie bei Gino Lettieri, mit dessen Rückholaktion in der vergangenen Spielzeit der dramatische Absturz der Zebras massiv beschleunigt worden war. Nach gerade einmal zweieinhalb Monaten war er nach sechs Niederlagen und vier Unentschieden in zwölf Spielen bereits wieder entlassen worden. Erst mit Pavel Dotchev wurde der drohende Abstieg verhindert. Doch auch diese Personalie war nicht nachhaltig, im Oktober 2021 musste er seinen Posten räumen. Schmidt kam – und sollte spätestens jetzt wieder verschwinden. „In den letzten drei Spielen geht‘s noch um den Klassenerhalt in Liga drei. Was kein Erfolg ist, sondern eine Selbstverständlichkeit sein sollte.“
Für Llambi ist Schmidt aber nicht nur der falsche Mann, sondern auch Opfer der zahlreichen Fehler der Vergangenheit. Vor allem bei der Kaderplanung. Die Abwehr ist seit zwei Jahren ein Torso. „Er tut mir ja auch leid, er kann aus Scheiße keine Bonbons machen, aber er ist ratlos, weiß nicht was er mit den Leuten machen soll, wie er sie motiviert und ans Spielen bekommt.“ Wenn ein Trainer an diesem Punkt ist, dann ist er eben durch. Gescheitert. Mit durchschnittlich 1,18 Punkten in 22 Spielen (zwölf Niederlagen) ist seine Bilanz ernüchternd, katastrophal.
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Kapitale Fehler reihen sich aneinander
Den GAU in dieser Saison, den Absturz in die Regionalliga, fürchtet Llambi indes nicht. Zu schwer scheinen die Restprogramme der Konkurrenten um Viktoria Berlin und den SC Verl. Gegen diesen Gegner spielt der MSV am letzten Spieltag. Ein Drama-Finale nicht wahrscheinlich. Aber auch nicht ausgeschlossen. Was für ein Szenario für einen Klub, der immer noch das Selbstverständnis in sich trägt, mindestens ein Zweitligist sein zu müssen.
Ein Traum, den es noch lange Zeit zu träumen gilt. Vor zwei Jahren, da waren die Duisburger knapp dran an der direkten Rückkehr in Liga zwei. Bis zur Pandemie-Pause spielte der MSV eine Top-Saison, hatte einen tollen Kader mit Spielern, die auf sich aufmerksam machten. Wie etwas Lukas Daschner oder Yasin Ben Balla. Doch auf der Zielgerade nach dem Corona-Wiederanpfiff ging nix mehr, der Aufstieg wurde tatsächlich noch verspielt. Es war der Beginn einer Reihe von kapitalen Fehlern. Bei den Trainern, bei der Kaderplanung. Dem ewigen Sportdirektor Ivica Grilic flog das Anfang Februar um die Ohren. Die Fans tobten schon länger und der 46-Jährige trat freiwillig ab.
Was macht Llambi eigentlich Hoffnung?
Seit ein paar Wochen ist sein Nachfolger im Amt. Und die Aufgabe für Ralf Heskamp könnte kaum größer und herausfordernder sein. Er muss dem klammen Klub ein neues fußballerisches Gesicht verpassen und dabei mit 17 „Altlasten“ hantieren, so viele Spieler aus dem aktuellen Kader haben noch einen Vertrag beim MSV. Nicht alle sind tatsächlich eine Last, wie etwa die eigenen Talente Hettwer und Jander. Andere Spieler wie Marvin Knoll oder Marvin Bakalorz, die schon 1. und 2. Bundesliga gespielt haben, liefern dagegen bislang nur kaum oder auch gar nicht. „Man kann für Heskamp nur hoffen, dass einer dieser Spieler trotz Vertrag einen neuen Verein findet“, so Llambi.
Was ihm Hoffnung macht? Nun, vielleicht ist die Frage falsch formuliert. Der gebürtige Duisburger, der den Klub für RTL in einer Doku über lange Zeit begleitet hat, wünscht sich, dass auf allen Ebenen mal richtig durchgekehrt wird. Dass die ganzen alten Krusten aufbrechen. Ingo Wald, den traurigen Boss, nimmt Llambi übrigens in Schutz. „Er wollte schon nach der vergangenen Saison etwas ändern, er gibt so viel für den MSV“ – und muss nun wieder einmal Scherben kehren. (tno)
Hier gibt's unsere MSV-Doku mit Joachim Llambi!
Joachim Llambi ist nicht nur begeisterter Tänzer – er ist auch glühender Fan des MSV Duisburg. Umso schöner für Llambi und alle "Zebras" daher die Doku, die seit dem 17. Februar auf RTL+ zu sehen ist: "MSV – mein Herz schlägt numa hier". Traditionsreiche Vergangenheit, herausfordernde Gegenwart – immer absolute Leidenschaft: Der MSV Duisburg spielte einst ganz oben mit, steckt seit einiger Zeit jedoch tief im Abstiegssumpf der 3. Liga und kämpft ums wirtschaftliche Überleben. Auf dem Platz und auf den Rängen erfordert die derzeitige Situation viel Durchhaltevermögen. Und auch hinter den Kulissen rumort es in solch schwierigen Zeiten gewaltig. Die Dokumentation "MSV – Mein Herz schlägt numa hier" begleitet den Traditionsverein über mehr als 12 Monate und liefert ein authentisches Porträt des Ruhrpott-Clubs