Was Deutschlands berühmtester Förster rät
Interview mit Peter Wohlleben: Wir müssen den Wald in Ruhe lassen
Der größte Stress für den Wald kommt von der Forstwirtschaft – nicht vom Klimawandel
Der deutsche Wald leidet unter dem Klimawandel – oder stimmt das gar nicht? Leidet er vielmehr unter der Forstwirtschaft? Deutschlands bekanntester Förster Peter Wohlleben hat im Interview mit RTL erklärt, dass der größte Stress für den Wald von der Forstwirtschaft kommt. Der Klimawandel verstärke diesen Stress nur. Was Wohlleben für einen Umgang mit dem Wald fordert, warum der Wald auch für die Seele des Menschen so wichtig ist und was wir alle für einen gesunden Wald tun können, erfahren Sie hier.
„Gibt kein Beispiel, wo gepflanzter Wald besser abschneidet als natürlicher“
Wohlleben wurde bundesweit bekannt durch sein Buch „Das geheime Leben der Bäume". Der Förster aus Bonn ist ein Freund des natürlichen Umgangs mit dem Wald. Dann sei auch der Klimawandel kein Problem. Immer, wenn der Mensch eingreife, verändere er den Wald. „Generell müssen wir um Wald keine Sorgen haben. Natürliche Wälder pendeln sich immer wieder selbst ein, sie sind sehr resilient. Es gibt weltweit kein Beispiel, wo ein gepflanzter Wald besser abschneidet als ein natürlicher Wald. Also: Lasst den Wald doch einfach selber machen“, sagte er im Interview mit RTL.
„Forstwirtschaft macht den Tank des Waldes kaputt“
Wie aber genau nimmt die Forstwirtschaft denn so negativen Einfluss auf den Wald? „Wenn eine 70 Tonnen schwere Maschine über den Waldboden fährt, verdichtet sie diesen und der Wald kann kein Wasser mehr speichern. Wichtig für die Wälder ist der Winter-Niederschlag", so Wohlleben. Der Niederschlag im Sommer sei ohnehin viel zu wenig. „Die Wälder müssen den Niederschlag vom Winter speichern. Wenn wir den Bäumen den Tank platt fahren mit schweren Maschinen, dann vertrocknen die Bäume. Wenn wir den Wald dann auch noch auflichten, kommt mehr Sonne rein und er heizt sich auf.
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Wunderwerk Wald: Umgebungsluft kann um bis zu 15 Grad abgekühlt werden
Aufheizen ist das Stichwort: Denn der Wald hat eine unglaubliche Fähigkeit, er kann nämlich die Umgebungsluft abkühlen. Dazu Wohlleben: „Der Wald nimmt natürlich CO2 auf, er kühlt aber auch". Das sei fast noch wichtiger als die Bindung der Treibhausgase. „Wälder kühlen die Umgebungsluft um bis zu 15 Grad runter. Über solchen Wäldern bilden sich auch mehr Wolken, das heißt, da regnet es mehr." So fungiert der Wald als eine Art Regen- und Feuchtigkeitsmaschine. In Zeiten des Klimawandels sei das ungeheuer wichtig.
Der Borkenkäfer ist nicht das Problem, sondern der Mensch
Rund 250.000 Hektar Wald sind laut aktuellen Schätzungen in den vergangenen zwei Jahren abgestorben. Aber Wohlleben beruhigt uns: „Der deutsche Wald stirbt nicht. Er ist sehr robust. Die naturfernsten Wälder sterben als erstes ab, das sind die Nadelwälderplantagen. Fichten und Kiefern kommen in großen Teilen der natürlichen Landschaft nicht vor. Deswegen werden die ein Opfer des Borkenkäfers. Borkenkäfer sind spezialisiert auf absterbende Bäume“, so der Experte: „Was wir brauchen sind Laubwälder, die seit Jahrtausenden hier heimisch sind. Natürliche Wälder pendeln sich immer wieder selbst ein, sie sind sehr resilient. Lasst den Wald doch einfach selber machen.”
Und wie? Vor allem nichts aus dem Wald herausholen, ist Wohllebens Devise: „Totholz ist wichtig für die Feuchtigkeit im Wald, für Pilze, für Käfer und viele andere Tiere und Bakterien. Solange viel Totholz im Wald ist, das auch Wasser speichert, so lange kühlen die Wälder sich selbst runter. Wenn wir dem Wald helfen wollen, können wir ihn nur selbst machen lassen."
„Wir stammen aus dem Wald. Unser Blutdruck sinkt, wenn wir im Wald sind“
Dass nun in Corona-Zeiten mehr Menschen in die Wälder gehen, findet Wohlleben sogar gut. „Die erhöhte Zahl der Waldbesucher ist für mich sogar ein Vorteil“, sagt Wohlleben. „Viel mehr Leute schauen auf den Wald, und fragen sich, was passiert hier eigentlich? In Deutschland darf man fast überall einfach in den Wald laufen, das ist ein ganz großes Geschenk", so der Förster. Mehr Müll könne er nicht erkennen.
Er fordert die Menschen auf, ruhig in die Wälder zu gehen: „Wir stammen aus dem Wald, wir sind Waldgeschöpfe. Das kann man sogar mit dem Blutdruck messen. Der sinkt nämlich im Wald. Unser Immunsystem wird im Wald gestärkt. Ohne Wald können wir nicht leben. Ohne Wald stünden wir hier in einer Wüste.“