"Hartherzig und beschämend": Keine Renten-Nachzahlungen für Holocaust-Überlebende
Will man die Frage aussitzen, bis die Betroffenen verstorben sind?
Die Opposition ist mit Anträgen auf Renten-Nachzahlungen für die gut 20.000 Überlebenden aus jüdischen Ghettos der Nazi-Zeit gescheitert. Die schwarz-gelbe Koalitionsmehrheit lehnte entsprechende Anträge von SPD und Grünen sowie der Linksfraktion im Bundestag ab. Damit bleibt es bei der bisherigen Auszahlungspraxis. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Dieter Graumann, sagte der 'Jüdischen Allgemeinen', die Haltung der Regierungskoalition sei "hartherzig und beschämend".
Auch das American Jewish Committee verurteilte die Ablehnung. "Jeder Tag, der vergeht, macht eine Lösung für die Betroffenen unwahrscheinlicher. Ein gemeinsamer Beschluss wäre ein starkes Signal der Verantwortung gewesen", hieß es in einer Erklärung. Die Entscheidung "hinterlässt den traurigen Eindruck, die Regierung wolle diese Frage aussitzen". Im Jahr 2002 hatte der Bundestag den Überlebenden des Holocausts, die sich im Ghetto freiwillig zur Arbeit gemeldet hatten, rückwirkend zum Jahr 1997 einen Anspruch auf Rente zugestanden.
Schweigeminute: Vor 80 Jahren wurde das Ermächtigungsgesetz verabschiedet
Die Ansprüche wurden aber sehr restriktiv ausgelegt, so dass nur wenige Berechtigte Geld erhielten. Erst 2009 entschied das Bundessozialgericht, die Voraussetzungen großzügiger auszulegen. Da nach dem Sozialrecht Ansprüche höchstens für vier Jahre rückwirkend geltend gemacht werden können, bekamen die Betroffenen ihre Rente erst von 2005 an. Mit Anträgen im Bundestag wollten SPD, Grüne und Linkspartei dies ändern. Ein Vorschlag von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen (CDU) für eine Lösung im Rentenrecht fand bei CDU/CSU keine Unterstützung.
Der Bundestag hat mit einer Schweigeminute an die Opfer der nationalsozialistischen Diktatur erinnert. "Wir verneigen uns vor den Opfern", sagte Bundestagspräsident Norbert Lammert. Vor 80 Jahren, am 23. März 1933, wurde das Ermächtigungsgesetz verabschiedet. Mit einer Mehrheit von 444 Ja-Stimmen entmachtete sich das deutsche Parlament selbst. Damit sei der Weg in einen beispiellosen Terror zementiert worden, sagte Lammert. "Der 23. März steht für die mutwillige Zerstörung einer Demokratie." Heute erweise sich der Parlamentarismus in Deutschland als robust und vital.