Guter Sex geht anders: Erfülltes Sexleben eine Frage der Entscheidung?
Guter Sex geht anders: Erfülltes Sexleben eine Frage der Entscheidung?
05. November 2014 - 14:11 Uhr
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Vorgetäuschte Orgasmen, kein Lustempfinden, unerfüllte Fantasien - schlechter Sex ist gar nicht mal so selten. Was tun, wenn Tipps wie Sexspielzeug, heiße Dessous oder das Verwirklichen von Fantasien nicht helfen? Und wann ist Sex eigentlich gut und wann schlecht? Fragen wie diese beantwortet die Autorin Berit Brockhausen in ihrem Buch 'Guter Sex geht anders'. Die Diplompsychologin und Sexualtherapeutin gibt Ratschläge darüber, wie Paare gemeinsam Spaß im Bett haben können. Dabei geht sie auf die Ursachen für Frust, Langeweile und Unzufriedenheit im Bett ein.
Macht es überhaupt noch Sinn, die Lust zurückzuerobern, wenn man sexuell nicht zusammen passt, darf ich auch andere Körper begehren - und was ist eigentlich 'normaler Sex'? In unserem Interview packte Berit Brockhausen aus ihrem Alltag mit gefrusteten Paaren aus...
Frauenzimmer.de: Wann ist Sex gut?
Berit Brockhausen: Sex ist erfüllend, wenn er 'stimmt'. Das bedeutet, dass er zur Situation, der Stimmung und den Wünschen der beiden Beteiligten passt. Wie Sie den bekommen? Indem Sie 1. alle Tipps für guten Sex über Bord schmeißen, 2. ernst nehmen, was sich für Sie gut anfühlt und worauf Sie jetzt wirklich Lust haben und 3. neugierig herausfinden, wie das zu den Wünschen des Bettgespielen (oder der Gespielin) zusammenpasst. Und ja, das ist leichter gesagt als getan. Doch diese Souveränität können Sie entwickeln.
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FZ: Wann ist man als Mann/Frau 'gut im Bett'?
BB: Mal im Ernst, wie gut kann Sex denn bitte sein, wenn Sie sich die ganze Zeit an diesem Maßstab messen und versuchen, für den anderen gut im Bett zu sein. Am besten, der hat auch noch den gleichen Flitz und dann haben wir schon zwei, die sich für eine unsichtbare Jury abmühen. Den einzig verlässlichen Maßstab finden Sie in sich selbst: Fühlt sich das gerade gut für mich an? Wenn nicht, hören Sie damit auf und machen etwas anderes.
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FZ: Ist es in Ordnung, andere Menschen zu begehren? Was ist, wenn man seinen Partner liebt, aber Sehnsucht nach anderen Körpern hat?
BB: Würde sich etwas an diesen Gefühlen ändern, wenn ich sage, es ist nicht okay? Na bitte. Ja, Gefühle haben ihr Eigenleben. Sie kommen und gehen. Und wir entscheiden, wie wir uns verhalten. Die Attraktivität von anderen zu genießen und die eigene Lust als erotische Potenz zu spüren, ist ein Teil unserer Lebendigkeit.
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FZ: Warum ist die offene Beziehung so verpönt? Gehen die Deutschen lieber heimlich fremd, nur um nicht von ihren Konventionen loszulassen?
BB: Meine Beobachtung ist, dass die jüngeren Paare offen um Beziehungsmodelle ringen, die ermöglichen, mit dem unauflösbaren Konflikt zwischen Sicherheit in der Beziehung und Kribbeln bei neuen Eroberungen umzugehen. Eine heimliche Affäre ist eine Lösung, die offene Beziehung eine andere. Kern bleibt allerdings: Was soll mein fester Partner für mich sein? Was will ich exklusiv mit ihm teilen, was sind meine zentralen Werte für meine Liebesbeziehung – und welche Konsequenzen haben die? Ganz gleich, welches Modell Sie leben, Sie müssen immer die Kosten tragen.
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FZ: Ein Leben lang sexuell monogam: Geht das überhaupt?
BB: Ja, doch es hat einen Preis, wie auch der Verzicht auf Monogamie einen Preis hat.
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FZ: Wir schlafen nicht mehr miteinander: Ab welchem Zeitpunkt sollte man sich ernsthafte Gedanken machen?
BB: Sobald es einen von beiden irritiert und/oder stört. Dann wird es Zeit für die Frage: Welche Rolle soll Sexualität in meinem Leben spielen? Will ich eine erfüllte sexuelle Beziehung? Und wenn ja: Was bin ich bereit dafür zu tun?
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FZ: Woran merkt man, dass es keinen Zweck hat, am Sex in der Beziehung zu arbeiten? Wann ist es an der Zeit zu erkennen: Wir passen sexuell einfach nicht zusammen? Muss man „die Lust zurückerobern“ oder sollte man neue mit neuen Partnern entdecken?
BB: Guter Sex ist kein Schicksal, sondern eine Frage von Entscheidungen. Sie können sich entscheiden, mit diesem Menschen guten Sex zu wollen und dann aktiv etwas dafür tun. Am besten Dinge, die wirkungsvoll Ihr gemeinsames Liebesleben verbessern. Vorwürfe und Klagen sind unerotisch und selten erfolgreich. Doch niemand zwingt Sie, die Lust zurück zu erobern, wenn Sie es gar nicht wollen, sei es, dass sie bereits jemand Neues gefunden haben, sei es, dass Sie auf das, was zwischen Ihnen im Bett möglich ist, absolut keinen Bock mehr haben. Übernehmen Sie die Verantwortung dafür, anstatt sich hinter 'wir passen einfach nicht zusammen' zu verstecken. Zwecklos ist es nur, wenn das Verhalten des Partners deutlich zeigt, dass er an einer Verbesserung nicht interessiert ist.
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FZ: Der Mythos von der Pille, die die Libido senkt: Kann das wirklich sein oder ist es eine unbewusste Ausrede?
BB: Im menschlichen Körper gibt es ein hochkompliziertes und feines Zusammenspiel vieler Faktoren. Nicht nur die Pille, sondern auch der Alltag, beruflicher Stress oder Gewohnheiten wie das das Abhängen vor der Glotze führen dazu, dass uns die Lust nicht mehr spontan überfällt. Wo ist das Problem? Lust lässt sich auch einladen. Vorausgesetzt, Sie wollen es.
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FZ: Was ist 'normaler' Sex?
BB: Ein Mythos. Verglichen mit dem, was angeblich normal sein soll, haben wir alle schlechten Sex. Und der wird noch schlechter, wenn Sie verzweifelt versuchen, die Norm im Bett zu erfüllen.
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FZ: Warum erlebt ‚Shades of Grey’ solch einen Hype?
BB: Es geht um Hingabe, die die Lust und den Genuss vertieft. Es geht um die selbstbewusste Entscheidung, eigene Grenzen zu überschreiten und überschreiten zu lassen. Was gern übersehen wird: Das Geheimnis der Hingabe ist die selbstbewusste Kontrolle.
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FZ: Sind Frauen selbst 'schuld' an ihrer Unzufriedenheit und Orgasmusflaute, weil sie sich nur auf die Penetration,den Mann verlassen, statt beim Verkehr die Dinge selbst in die Hand zu nehmen?
BB: Leider ist das sehr verbreitet. Die Männer überfordern sich mit dieser Rolle und die Frauen bleiben enttäuscht. Keiner von beiden hat richtig Spaß. Die Betroffenen wissen übrigens sehr gut, dass es besser wäre, sie würden ihre Wünsche äußern oder zeigen, was sie brauchen. Leider ist es nicht so einfach. Genau da setzt mein Onlineseminar und auch der 3. Teil meines Buchs an.
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FZ: Kann man die Lust mit Pornos wiederbeleben? Turnen Pornos Frauen wirklich ab? Oder rennen sie bloß einem Klischee/einer Falle hinterher, weil man ja 'lernt', dass Pornos frauenverachtend sein sollen?
Wenn eine Frau noch gar keine Erfahrung mit Pornos gemacht hat: Es lohnt sich, einmal ganz allein auszuprobieren, wie man darauf reagiert. Ansonsten gilt: Nehmen Sie sich selbst ernst. Was stimmt und sich gut anfühlt, ist auch gut. Wenn es nicht mehr stimmt oder irgendetwas irritiert: Finden Sie heraus, was es ist und verändern Sie es.
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FZ: Unverbindliche Abenteuer: Wie schaffen Frauen es, gesellschaftliche Konventionen über Bord zu werfen und sich gehen zu lassen?
BB: Indem sie Entscheidungen treffen. Wer Sie selbst sein wollen. Was sie ausmacht. Wie sie es leben wollen. Und dazu gehört übrigens genauso die Freiheit, sich für ein Leben ohne Sex zu entscheiden
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FZ: Viele Kommentare auf der Frauenzimmer-Facebook-Seite gehen in die Richtung: „Affäre oder One-Night-Stand? Dafür bin ich mir zu schade.“ Aber kann man sich für guten Sex zu schade sein? Oder tut man sich damit nicht eher etwas Gutes?
BB: Wenn man das immer vorher wüsste. Jeder One-Night-Stand ist ein Risiko. Und das kann sehr reizvoll sein, selbstbewusst herauszufinden, was mit diesem Fremden in dieser Situation möglich ist. Ansonsten habe ich großen Respekt vor Menschen, die sich für Treue in ihrer Liebesbeziehung entscheiden, selbst wenn dort nicht mehr die Leidenschaft lodert. Ebenso großen Respekt habe ich vor denen, die sich selbst treu bleiben und entscheiden, ihre eigene Sexualität zu entdecken oder intensivieren, und die dies in wechselnden Affären tun, wenn sie mit den Gefühlen der anderen verantwortungsvoll umgehen. Beides ist nicht einfach.
FAZIT: Guter Sex ist Ihre Entscheidung. Mit meinem Buch möchte ich beitragen, dass es Ihnen gelingt, Ihre Entscheidung auch umzusetzen und Ihr erotisches Potenzial zu leben - wenn Sie das wollen.