Friedensnobelpreis 2012 an die EU
Deutsch-französische Aussöhnung als herausragendes Ergebnis
Die EU wird mit dem Friedensnobelpreis 2012 ausgezeichnet. Das gab das norwegische Nobelkomitee in Oslo bekannt. Komiteechef Thorbjörn Jagland begründete die Entscheidung damit, dass die Europäische Union über sechs Jahrzehnte entscheidend zur friedlichen Entwicklung in Europa beigetragen habe.
Das fünfköpfige Komitee hob in seiner Begründung die deutsch-französische Aussöhnung nach dem Zweiten Weltkrieg als herausragendes Ergebnis der europäischen Integration heraus. Beide Länder seien in drei Kriege gegeneinander verwickelt gewesen. "Heute ist Krieg zwischen Deutschland und Frankreich undenkbar", hieß es weiter.
Komiteechef Jagland nannte als weitere Leistungen der EU die Förderung der demokratischen Entwicklungen in südeuropäischen Ländern. Hinzu komme die Integration osteuropäischer Staaten nach dem Mauerfall 1989. Er nannte auch die Befriedung des Balkans. "Dies ist ein historischer Preis sowohl in langfristiger wie in aktueller Perspektive." Der Friedensnobelpreis ist mit umgerechnet 930.000 Euro dotiert.
Die Europäische Union bemüht sich seit Jahren auch außerhalb der eigenen Grenzen um die Verhinderung und Entschärfung von Konflikten. Die EU ist gemeinsam mit Russland, den USA und den Vereinten Nationen Mitglied des Nahost-Quartetts. Die EU sucht besonders enge Beziehungen zu den nordafrikanischen und den osteuropäischen Staaten. In vielen Fällen finanziert die EU Projekte zur Schaffung von Arbeitsplätzen vor allem für junge Menschen. Zur Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GSVP) gehört eine Reihe von zivilen und militärischen Einsätzen in Krisenregionen.
"Der Preis ist eine wichtige Botschaft für Europa: dass die EU etwas sehr Wertvolles ist, dass wir sie zum Wohle der Europäer und der ganzen Welt pflegen sollten", sagte Kommissionspräsident Barroso. Ratspräsident Herman Van Rompuy bezeichnete die Verleihung als "unglaubliche Ehre" und "größtmögliche Anerkennung der tiefen politischen Motive, die hinter der Union stehen".
Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zeigte sich erfreut über die "wunderbare Entscheidung". "Das ist Ansporn und Verpflichtung zugleich - auch für mich ganz persönlich", sagte sie in Berlin. Nato-Generalsekretär Anders Fogh Rasmussen würdigte die EU als "einzigartigen und entscheidenden Partner" des Bündnisses.
Die russische Aktivistin Gannuschkina kritisierte die Entscheidung als Zeichen von "Impotenz". "Die Auszeichnung ist einer staatlichen bürokratischen Struktur zuerkannt worden", sagte sie enttäuscht. Die Leiterin der Moskauer Helsinki-Gruppe, Ljudmila Alexejewa, sagte: "Ich hätte es besser gefunden, wenn zum Beispiel ein politischer Häftling im Iran den Preis erhalten hätte." Russische Bürgerrechtler hatten sich große Hoffnungen auf den Preis gemacht - als Anerkennung für die von Präsident Wladimir Putin zunehmend geschwächten Zivilgesellschaft.
Entscheidung einstimmig
Offen blieb in Oslo, warum der TV- und Rundfunksender NRK den Preisträger eine Stunde vorab verkünden konnte - das ist höchst ungewöhnlich. Spekulationen machten die Runde, dass möglicherweise Gegner der Entscheidung mit Insiderwissen dem Komiteechef den "Spaß verderben wollten". Bereits am Vorabend hatten sich Gerüchte verbreitet, dass der Nobelpreis diesmal an die EU gehen könnte.
Jagland hatte vorab erklärt, dass die diesjährige Entscheidung einstimmig von allen fünf Mitgliedern getragen werde. Das Komitee ist nach einem Parteienproporz zusammengesetzt, der auch zwei EU-kritische Parteien berücksichtigt. Im Vorfeld waren auch die russische Menschenrechtsorganisation Memorial und deren Mit-Gründerin Swetlana Gannuschkina (70) als möglicher Preisträger gehandelt worden.
Wer den Preis für die EU entgegennehmen wird ist noch unklar. SPD-Chef Sigmar Gabriel sprach sich dafür aus, dass der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), diese Aufgabe übernimmt. "Es wäre angemessen, wenn der Preis nicht von einem Technokraten aus der Kommission entgegengenommen würde, sondern von einem glaubwürdigen Repräsentanten des demokratischen Europa", sagte er 'Spiegel Online'.
Nach dem Testament des Preisstifters Alfred Nobel (1833-1896) soll derjenige mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet werden, der im jeweils voraufgegangenen Jahr am meisten für den Frieden getan habe.
Im letzten Jahr wurden drei Frauen ausgezeichnet. Die Journalistin Tawakkul Karman aus dem Jemen teilte sich den Preis mit der liberianischen Präsidentin Ellen Johnson-Sirleaf und Leymah Gbowee, ebenfalls aus Liberia.