Polit-Kolumne von Franca Lehfeldt

Francas Flurfunk: Merkels Mantra macht mich mürbe

Francas Flurfunk - die politische Kolumne von Franca Lehfeldt für RTL.de
Francas Flurfunk - die politische Kolumne von Franca Lehfeldt für RTL.de
RTL

Liebe RTL-Gemeinschaft,

wir alle werden in diesen Tagen Zeugen eines offenen Machtkampfes in der Union. Mussten auch Sie sich die Augen und Ohren reiben, als Markus Söder am Montagnachmittag selbstbewusst und testosterongeladen vor die Presse trat und einen ordentlichen „Watschen“ nach Berlin schmetterte? Am Sonntag war die Welt noch in Ordnung. Die Parteichefs von CDU und CSU verkündeten beide ihr Interesse an der Kanzlerkandidatur und Markus Söder als Chef der kleineren Schwesterpartei fügte hinzu, natürlich nur dann zu kandidieren, wenn er aus der CDU gerufen würde.

Zwei willige Kronprinzen stampfen auf und wollen nicht aufgeben

Am Montag schickten die Gremien der CDU ein höfliches „Nein, danke“ nach München und stellten sich hinter ihren Armin. Und der Söder-Markus? Dem erschien vielleicht der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland vor dem inneren Auge, Konrad Adenauer. Denn wie hatte die CDU-Ikone so schön gesagt: „Was kümmert mich mein Geschwätz von gestern, nichts hindert mich, weiser zu werden.“ Ist Markus Söder über Nacht weiser geworden? Wir wissen es nicht. Fest steht, er ist machthungriger geworden und will mit dem Kopf durch die Wand. Oder besser gesagt, direkt durchs Tor, ins Kanzleramt.

Interaktive Webstory: Laschet vs. Söder – der etwas andere Fakten-Check

Stand Freitagmorgen hat die Union also zwei willige Kronprinzen für die scheidende Kanzlerin, die mit der Faust auf den Tisch hauen, aufstampfen und beide nicht ans Aufgeben denken. Und die deutsche Öffentlichkeit? Wir staunen, uns fällt die Kinnlade runter, zum Teil sind wir sogar empört! „Wie kann die letzte deutsche Volkspartei sich so zerlegen?“ – „Davon wird sich die Union bis zur Bundestagswahl nicht wieder erholen!“, diese und weitere Sätze rauschen durch das Regierungsviertel. Alles Quatsch, sage ich. Wir sind nur nach sechzehn Jahren mit Angela Merkel an der Spitze keine lauten, kontroversen und vielleicht auch schmutzigen Machtkämpfe auf offener Bühne mehr gewöhnt. Natürlich hat auch die Kanzlerin ihre Kämpfe geführt, vielleicht hat sie es eleganter und leiser gemacht, im sogenannten „Hinterzimmer“.

Francas Flurfunk: Wer ist Ihr Herzblatt, Frau Merkel?

„Ich wollte, will und werde mich da heraushalten“

 Angela Merkel in der 222. Sitzung des Deutschen Bundestages im Reichstagsgebäude. Berlin, 16.04.2021 *** Angela Merkel in the 222 session of the German Bundestag in the Reichstag building Berlin, 16 04 2021 Foto:xF.xKernx/xFuturexImage
„Ich wollte, will und werde mich da heraushalten“. Den Satz sollte die Kanzlerin auch nach sechzehn Jahren und wenige Monate bis zur Bundestagswahl vielleicht noch einmal überdenken, findet Franca Lehfeldt.
www.imago-images.de, imago images/Future Image, Frederic Kern via www.imago-images.de

Womit wir bei meinem eigentlichen Gedanken angekommen sind. Warum kommt von der Bundeskanzlerin nicht mal ein lautes und eindeutiges Wort? Nicht nur, wenn es um ihre Nachfolge geht, sondern in allen derzeit wichtigen Punkten? Auf die Frage, wie sie zu dem Machtkampf stehe, antwortete Angela Merkel in dieser Woche: „Ich wollte, will und werde mich da heraushalten“.

Diese Aussage macht mich mürbe. Die Kanzlerin hält sich nämlich offiziell nicht nur aus dem Machtkampf Laschet-Söder raus, sie hält auch uns aus vielen Themen raus.

Thema Impfen – wann, wie und wo wird die Bundeskanzlerin geimpft? In Berlin dürfen sich seit zwei Wochen alle über 60-jährigen Bürger und Bürgerinnen mit AstraZeneca ohne Priorisierung impfen lassen, wenn sie möchten. Die Kanzlerin ist 66 Jahre alt, somit fällt sie genau in diese Gruppe. Der Regierungssprecher wird nicht müde zu betonen, die Kanzlerin werde sich impfen lassen und zwar dann, wenn sie dran ist. Jetzt ist durchgesickert, dass es heute so weit sein soll und wieder kommt auf Nachfrage aus dem Kanzleramt keine Bestätigung.

Meine Güte! Wo bleiben denn Energie und Vorbildfunktion in dieser Krise? Warum kündigt es die Kanzlerin nicht persönlich an? Erklärt, dass sie sich freue endlich an der Reihe zu sein, dass alle Deutschen dann eine geimpfte und geschützte Regierungschefin haben. Das ist in der aktuellen Lage doch eine wichtige und positive Nachricht, davon könnten wir doch einige gebrauchen.

Das permanente „Sage ich nicht“-Mantra macht mich mürbe. Natürlich würde es viele Bürger interessieren, wie es der Bundeskanzlerin nach der Impfung geht, wie ihre persönliche Erfahrung ist, vielleicht würde es viele sogar bestärken sich auch impfen zu lassen.

Gleichermaßen interessiert es viele jüngere Unions-Mitglieder, wie Angela Merkel die Zukunft ihrer Partei sieht. In dieser Woche sagte ein CDU-Nachwuchspolitiker zu mir: „Angela Merkel interessiert die Partei nicht mehr“. Das ist doch ein verheerendes Signal, wenn Mitglieder diesen Eindruck gewinnen.

Beide Situationen sind grundlegend unterschiedlich, treffen sich jedoch auf einem Nenner: „Ich wollte, will und werde mich da heraushalten“. Den Satz sollte die Kanzlerin auch nach sechzehn Jahren und wenige Monate bis zur Bundestagswahl vielleicht noch einmal überdenken.