19. Januar 2021 - 10:47 Uhr
Von Martin Armbruster
Elf Siege, zehn Pole Positions, der rekordträchtige siebte WM-Titel – Lewis Hamilton erklomm 2020 den Formel-1-Olymp. Im Lichte dieser Leistung mag es paradox klingen, aber die vergangene Saison offenbarte auch: Mercedes braucht Hamilton nicht, um seine unglaubliche Erfolgs-Saga fortzusetzen. Die Verantwortlichen um Motorsport-Chef Toto Wolff sollten im zähen Vertragspoker mit dem Briten ihre Asse auf den Tisch knallen – und mal was Neues wagen.
Mercedes wolkenkratzerhoch überlegen
Hamilton, keine Frage, ist ein Phänomen. Das noch größere Phänomen aber ist das Mercedes-TEAM. Jahr für Jahr schafft es die hungrige, nimmermüde, perfektionistische Truppe aus Brackley, ein noch besseres Formel-1-Auto zusammenzuschrauben.
Mit dem W11 kratzte Mercedes 2020 an der Rennsport-Perfektion. Der schwarze Pfeil lag praktisch überall wie auf Schienen. Sowohl aerodynamisch als auch in Sachen Motorpower war das Team der Konkurrenz (mal wieder) wolkenkratzerhoch überlegen.
Gewiss: Der erleuchtete F1-Buddah Hamilton holt aus diesem Traum-Paket stets das Maximum heraus, die Statistik lügt nicht. Dennoch ist in der modernen Formel 1 das Material, nicht der Mensch am Steuer, die conditio sine qua non – die Voraussetzung jeden Erfolgs.
Das beste Auto der Geschichte
Und das ist der entscheidende Punkt: Mercedes hat das beste Auto der Formel-1-Geschichte hingestellt. Noch überlegener als McLaren-Honda Ende der 1980er, noch dominanter als Ferrari in der Ära Michael Schumacher. Da die derzeitigen F1-Regeln bis Ende des Jahres gelten, wird sich an der Mercedes-Herrschaft vorerst auch nichts ändern. Die WM-Titel 2021 sind garantiert, sofern kein Wunder geschieht.
Wer den einzigartigen Mercedes-Boliden pilotiert, ist daher zweitrangig. Beispiel George Russell: Der Engländer stieg beim Sakhir-GP "spontan" für den corona-kranken Hamilton in das Wunder-Auto. Dass der 1,86-Meter-Schlacks kaum ins Cockpit passte und wegen seiner langen Beine nicht einmal richtig bremsen konnte – geschenkt. Russell fuhr der Konkurrenz genauso um die Ohren wie sein Landsmann.
Und auch Valtteri Bottas, der 2020 wesentlich häufiger von technischen Problemen betroffen war als sein Garagen-Nachbar und speziell in der zweiten Saisonhälfte selten Bestform erreichte, wäre ohne Hamilton Weltmeister geworden.

Ein Alternativ-Vorschlag
Warum Toto Wolff befürchtet, Hamilton habe in den Vertragsgesprächen sicher ein paar "Überraschungen" im Ärmel, leuchtet nicht so recht ein. Ein Ablenkungs-Manöver? Mercedes hat doch selbst das Blatt mit den meisten Assen. Ohne Mercedes wird Hamilton nicht alleiniger Rekord-Weltmeister. Ohne Mercedes hat der Brite noch nicht einmal einen Rennstall.
Warum also sollte das Unternehmen dem 36-Jährigen weiterhin ein Jahres-Salär von 40 Millionen Euro bezahlen (zumal in Corona-Zeiten)? Warum sollte Mercedes Hamilton erneut einen Drei-Jahresvertrag geben? Die Antworten sind ganz einfach: Sie sollten gar nicht.
Stattdessen ein Vorschlag zur Güte: Der seit 2007 ununterbrochen in der Formel 1 fahrende Hamilton bekommt ein Jahr "frei", wird 2021 globaler Markenbotschafter von Daimler/Mercedes-Benz. Keine Terminhatz, keine 23 GP-Wochenenden. Zeit für Hamilton, um sich – gemeinsam mit dem Big-Player-Konzern – noch stärker für den Kampf gegen Rassismus zu engagieren.
Ein Deal allerdings mit Klausel: 2022, wenn Bottas' Arbeitspapier ausgelaufen ist und die neuen F1-Regeln gelten, darf Hamilton in den Silberpfeil zurückkehren und den amtierenden Weltmeister George Russell herausfordern. Wäre das nicht eine Comeback-Story? Wäre das nicht eine Herausforderung?
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