Fall Jonny K. vor Gericht – Schwester Tina K. hofft auf die Wahrheit
Sie kämpft für ihren Bruder
Man kann Tina K. wirklich nur bewundern. Ihre Eltern konnten nicht zum Prozess erscheinen - da setzte sich das Mädchen ganz allein in den Berliner Gerichtssaal und sah den jungen Männern, die ihren Bruder Johnny totgeprügelt haben sollen, fest in die Augen. Doch der erste Tag im Prozess um den Tod von Jonny K. war eine herbe Enttäuschung für sie. Denn die Verdächtigen redeten sich heraus.
Jonny K. wurde nur 20 Jahre alt. Er starb nach Tritten und Schlägen an Gehirnblutungen. Brutal verprügelt in einer Oktobernacht 2012 zwischen Alexanderplatz und Rotem Rathaus, laut Staatsanwaltschaft völlig grundlos von einer "massiven Übermacht". Er wollte einem betrunkenen Freund helfen. Sein Tod hatte die Stadt aufgewühlt.
Tina K. hat den Mut, den Verlust ihres kleinen Bruders nicht still hinzunehmen. Sie engagiert sich öffentlich gegen Gewalt, geht in Schulen und spricht über Zivilcourage. Und kommt auch deshalb als Nebenklägerin in den Prozess, damit "das nicht noch einmal passiert".
Mit fast flüsternder Stimme meinte sie in einer Verhandlungspause: "Dass sie sich gegenseitig die Schuld in die Schuhe schieben - ich habe nicht mit etwas anderem gerechnet." Sie empfinde eine komplette Leere. "Die Tat ist nicht zu entschuldigen."
Angeklagte zeigen sich ratlos
Wer nun Jonny nach einer After-Show-Party auf dem Nachhauseweg so attackierte, dass er auf dem Pflaster aufschlug und wer seinen Begleiter, den Freund seiner Schwester misshandelte, ist nach dem ersten Prozesstag nicht klar. Die jungen Männer waren sich in einem Punkt einig - am Tod von Jonny K. seien sie nicht schuld, betonten sie jeweils selbst oder in Erklärungen ihrer Anwälte.
Der 19-jährige Onur U., den die Staatsanwaltschaft als treibende Kraft des Angriffs bezeichnete, hatte sich in die Türkei abgesetzt und sich erst nach Monaten im April den deutschen Behörden gestellt. Der Deutsch-Türke beteuerte nun im Prozess, er habe Jonny K. erst gar nicht bemerkt. Er habe den anderen, einen dunkelhäutigen Mann mit Faustschlägen attackiert, ließ der frühere Boxer in schwarzem Hemd und Jeans seinen Anwalt verlesen. Mit dem Tod von Jonny K. habe er nichts zu tun. Er habe Angst vor einer Vorverurteilung gehabt, sagte er zu seiner langen Flucht.
Die Angeklagten im Alter zwischen 19 und 24 Jahren zeigten sich insgesamt eher ratlos. Sie beschrieben sich als ansonsten nicht gewalttätig. Auch Alkohol habe damals eine Rolle gespielt. Es sei alles so schnell gegangen. "Die Tat macht mich fassungslos und sprachlos. Der Tod von Jonny berührt mich sehr", ließ ein 24-jähriger Angeklagter seinen Anwalt verlesen. Ihm wirft die Staatsanwaltschaft vor, Jonny K. gegen den Kopf getreten zu haben, als dieser schon reglos am Boden lag. Er bestreitet dies.
Vier der sechs Männer sind wegen gefährlicher Körperverletzung mit Todesfolge angeklagt, zwei wegen gefährlicher Körperverletzung. Nach dem Tod des jungen Berliners waren auch Mordanklagen gefordert geworden. Ein Tötungsvorsatz sei aber nicht erkennbar, deshalb seien Mordanklagen nicht infrage gekommen, so die Staatsanwaltschaft.