Die 'ISIS-Macher': Antonia Rados über den Terror in Nahost

Die 'ISIS-Macher': Antonia Rados über den Terror in Nahost
ISIS-Kämpfer: Rache an Amerika
REUTERS, STRINGER

Von Antonia Rados

Die Terrorgruppe ISIS ist nicht vom Himmel gefallen. Sie ist keine überirdische Organisation. Genauso wenig ist sie in einer Moschee entstanden. Sie wurde nicht in einer Koranschule gegründet. Ihre Geburtshelfer kennt im Nahen Osten jeder genau. Es sind zwei. Der eine Saudi-Arabien. Der andere Amerika.

Seit Jahrzehnten fließt aus Saudi-Arabien Geld an religiöse Gruppen in aller Welt. Das Muster ist immer dasselbe: Der reiche Ölstaat Saudi-Arabien unterstützt jeden – doch nicht ohne Bedingungen. Wer Geld will, muss dem ultraradikalen Wahhabismus der Saudis folgen.

Ursprünglich wollte der Wahhabismus – eine radikale Form des Islam, entstanden im 18. Jahrhundert im Gebiet des heutigen Saudi-Arabien, zurück zu den Wurzeln des Islam. Die Saudis machten daraus einen Export-Schlager.

Die saudische Propaganda- und Geber-Tour begann mit dem Afghanistan- Krieg um 1980. Die Saudis finanzierten den Kampf nur der extremsten 'Heiligen Krieger' gegen die UdSSR. Daraus entstanden die Taliban. Osama Bin Laden wurde in Afghanistan radikalisiert.

Heute ist der harte 'Wüstenislam' der vorherrschende 'Ideenspender' in Konflikten der muslimischen Welt. Am erfolgreichsten im syrischen Krieg.

Saudische Gönner brachten kofferweise Geld zu den Rebellen. Kuwait und Katar folgten. Ich kenne eine Gruppe in der Stadt Azaz. Früher waren es Schmuggler. Dank eines kuwaitischen Millionärs wurden sie Fundamentalisten. Die Kämpfer ließen sich Bärte wachsen. Ihre Frauen legten den Vollkörper-Umhang um.

Ein Verkaufsmuster, das seit Beginn des Krieges immer weiter griff. Je verzweifelter die syrische Opposition war, desto leichteres Spiel hatten vor allem die Saudis, die reichsten von allen.

ISIS, die radikalste dieser Gruppen, kopiert den saudischen, traurigen Alltag: Im August 2014 wurden in Saudi-Arabien rund ein Dutzend Menschen öffentlich mit dem Schwert exekutiert- dieselben Methode, die ISIS gegen Geiseln in demselben Zeitraum anwandte.

Das Königshaus verteidigt sich, die Finanziers der Heiligen Kriege des Wahhabismus seien saudische "Privatleute". Man könne sie nicht kontrollieren. Dagegen spricht, dass der Geheimdienst zwar Blogger wie den jungen Bischawi, der ausgepeitscht wurde, leicht schnappt. Millionenbeträge, die in Kriegsgebiete fließen, entgehen ihm.

"Das haben die Amerikaner mir angetan. Jetzt wird zurückgezahlt"

Zweiter Geburtshelfer von ISIS: Der amerikanische Präsident George W. Bush. Er ordnete 2003 die Irak-Invasion an. Aber statt "Demokratie" für die Iraker gab es Knast und Raketen. Tausende wurden festgehalten. Andere starben bei Raketenangriffen, militärische Antwort auf den anti-amerikanischen Aufstand nach dem US-Einmarsch. Ein Großteil der Spitze von ISIS lernte sich in US-Gefangenen-Camps kennen. Da war Folter verbreitet.

Eine Irakerin erzählte mir, ein ISIS-Kämpfer habe ihr seine schlecht vernarbte Folter-Wunden gezeigt: "Das haben die Amerikaner mir angetan. Jetzt wird zurückgezahlt."

Jetzt ist Zahltag im Irak und in Syrien. Jetzt werden Geiseln brutal ermordet wie der jordanische Pilot. Auch jeder westlichen Geisel - wie vor kurzem der des japanischen Reporters Kinji Goto - droht der sichere Tod. Jetzt zeigen die ISIS-Kämpfer, was ihnen saudische Emire befehlen. Laut einer verlässlichen Quelle sind zahlreiche Prediger im ISIS-Gebiet radikale Saudis. Sie kommen mit vollen Taschen. Sie verführen Iraker, Syrier. Dazu zahlreiche junge Muslime aus dem Westen. Sie rekrutieren mit Hilfe der Verführungsmaschine Internet – und mit Geld.

Amerika und Saudi-Arabien sind seit Jahrzehnten Verbündete. Nun arbeiten sie zusammen beim 'Krieg gegen den Terror', also gegen ISIS. Sie bombardieren den ISIS-Terrorstaat, den es nicht geben würde ohne Saudis und ohne Amerikaner. Worte eines syrischen Aktivisten, der sich nicht mehr auskennt: "Ihr sagt, wir sind Extremisten. Doch die radikalen Saudis sind Eure Freunde."