Tierische Patienten sind "unterversorgt"

Demenz bei Katzen und Hunden: Doc Polly erklärt, was Besitzer wissen müssen

Ein alter Hund schläft auf dem Teppichboden.
Auch Hunde und Katzen können die tückische Krankheit bekommen: Demenz.
picture alliance / AP Images | Brandon Pollock

von Vera Dünnwald

„Wo bin ich? Was wollte ich hier überhaupt?“ Nicht nur Menschen, sondern auch unsere geliebten Haustiere werden im Alter von Symptomen wie Vergesslichkeit und Orientierungslosigkeit geplagt. Diagnose: Demenz. Plötzlich stehen die Vierbeiner vor nie dagewesenen alltäglichen Herausforderungen, die es zu meistern gilt. Und auch auf die Tierbesitzer kommt eine stressige Zeit zu, schließlich fordert die Pflege eines kranken Tieres ganz besonders viel Aufmerksamkeit und Feingefühl. Was Sie beachten sollten, wenn ihr Hund oder ihre Katze dement ist, verrät Tierärztin Dr. Tanja Pollmüller alias Doc Polly.

Alterserscheinungen oder Demenz? Auch unsere geliebten Haustiere können betroffen sein

Die Tierärztliche Hochschule Hannover bietet, so vermeldet es die Deutsche Presse-Agentur, nun eine Spezialsprechstunde für demente Hunde und Katzen. Grund dafür sei, dass die Erkrankung „aktuell unterdiagnostiziert und die tierischen Patienten somit unterversorgt“ seien, sagte Tierärztin Nina Meyerhoff. Zwar gebe es noch keine Heilung, jedoch könnten Linderung der Symptome, Prävention sowie eine bessere Aufklärung „zu besserer Prophylaxe und insgesamt zu einer besseren medizinischen Versorgung älterer Tiere führen“. Derzeit litten verschiedenen Studien zufolge 68 Prozent der Hunde zwischen 15 und 16 Jahren sowie jede zweite Katze über 15 an Demenz.

Auch Doc Polly sieht viele Vierbeiner mit Demenz in ihrer Praxis. „Im Grunde genommen ist es das Gleiche wie beim Menschen. Wichtig ist nur, eine Sensibilität für die Tiere zu entwickeln.“ Im RTL-Interview erklärt sie: „Der springende Punkt ist, dass Tierbesitzer regelmäßig zum Tierarzt gehen sollten, damit Erkrankungen wie diese rechtzeitig erkannt werden können. Andersherum hat aber auch der Tierarzt die Verantwortung, die richtigen Fragen zu stellen.“

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Zum Beispiel: „Bei uns ist es Standard, dass Besitzer von älteren Tieren – bei großen Hunden ab dem siebten Lebensjahr und kleineren Hunde ab dem zehnten Lebensjahr – anders befragt werden. Es wird explizit nach Inkontinenz, Demenzerscheinungen und natürlich auch Arthrose-Beschwerden, ob die Tiere beispielsweise schwerer hochkommen, gefragt.“ Die Tierärztin sagt, dass sie die Erfahrung gemacht habe, dass man ganz gezielter nach Symptomen fragen müsse, um die entsprechenden Antworten zu erhalten. So falle es leichter, eine adäquate Diagnose zu stellen. Generell gilt: „Je mehr Aufklärung, desto besser geht es am Ende unseren Haustieren.“

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Achten Sie auf diese Symptome und Warnzeichen

Doch welche Warnzeichen und Symptome gilt es zu beachten? Woran merke ich als Tierbesitzer, dass mein Haustier nicht einfach nur älter wird – sondern eine Demenzerkrankung dahintersteckt? „Wenn das Haustier plötzlich an ungewohnten Stellen Urin oder Kot ablässt, einfach, weil es vergessen hat, rauszugehen, dann könnte das auf Demenz hindeuten“, so die Tierärztin. Anderes Beispiel: „Wenn sich der Tag-Nacht-Rhythmus verändert. Hunde schlafen dann zum Beispiel viel tagsüber und sind nachts wach und wandern umher.“

Neben den normalen Alterserscheinungen sei es zwar manchmal schwer für den Besitzer, einzuschätzen, ob es vielleicht „nur“ Schwerhörigkeit sei oder Demenz. Aber: „Wenn Kommandos oder Befehle nicht mehr befolgt werden, wenn die Tiere sie nicht mehr erkennen, könnte das auch auf Demenz hindeuten.“

Nur beim Tierarzt kann dann endgültig festgestellt werden, ob eine Demenz dahintersteckt, oder nicht. „Es handelt sich dabei um eine Verdachtsdiagnose durch die Schilderung der Symptomatik“, erklärt die Ärztin.

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Was Sie zu Hause tun können, um das Leid Ihres Tieres zu lindern

Auch wenn es nicht möglich sei, den Hund oder die Katze langfristig von ihrem Leid zu befreien und zu heilen, gebe es „eine Menge“, was man tun könne, um dem Tier ein weitestgehend beschwerdefreies Leben zu ermöglichen. Medikamente helfen, so Doc Polly, aber auch die Ernährung, die auf den demenzkranken Hund abgestimmt werd. „Da gibt es zum Beispiel die mittelkettigen Fettsäuren, die im Futter eine schöne Nährstoffquelle fürs Gehirn sind, und Antioxidantien.“ CBD-Öl sei zwar in der Tiermedizin umstritten, soll aber auch bei Demenz helfen. Es komme allerdings auf die richtige Dosierung an.

„Ansonsten gilt, wie bei uns Menschen auch: Du bist, was du isst, und je mehr du dich bewegst und je mehr dein Gehirn gefordert wird, desto besser“, erklärt die Tiermedizinerin. Heißt also: Achten Sie auf die richtige Auslastung Ihres Tieres – sowohl kognitiv als auch physisch. „Gestalten Sie Ihren Tag so aktiv wie möglich, sodass Ihr Hund abends richtig müde ist – selbstverständlich gemäß seinem Alter und der körperlichen Verfassung. Geht das bereits nicht mehr so gut, können Sie Ihr Tier aber auch gedanklich fordern, zum Beispiel mithilfe von bestimmtem Spielzeug.“

Abschließend rät die Veterinärmedizinerin: „Nehmen Sie Ihr Haustier genauer unter die Lupe und machen Sie sich mit Signalen der Demenz vertraut. Gehen Sie zum Tierarzt, wenn Sie das Gefühl haben, dass etwas nicht stimmen könnte und scheuen Sie sich nicht, bestimmte Auffälligkeiten aktiv anzusprechen.“