Chemiewaffenkontrolleure bekommen Friedensnobelpreis
Nobelkomitee kritisiert USA und Russland
Es ist ein deutliches politisches Signal in Richtung Krisenherd Syrien: Der Friedensnobelpreis 2013 geht an die Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW). Das gab der Chef des norwegischen Nobelkomitees, Thorbjörn Jagland, in Oslo bekannt. Damit geht die Auszeichnung ein Jahr nach der Europäischen Union wieder an eine internationale Institution. Favoritin Malala ging leer aus.
Die OPCW ist für die Umsetzung der Chemiewaffenkonvention aus dem Jahr 1997 zuständig. Sie soll die Chemiewaffenbestände der Vertragsstaaten überprüfen und deren Vernichtung kontrollieren. Die Würdigung der Arbeit der Chemiewaffenkontrolleure verband der Komitee-Vorsitzende mit Kritik an Washington und Moskau. "Manche Staaten sind immer noch keine OPCW-Mitglieder. Einige Staaten haben die Deadline nicht beachtet, die für April 2012 festgesetzt war, ihre Chemiewaffen zu zerstören. Dies gilt insbesondere für die USA und Russland."
"Entwaffnung spielt in Alfred Nobels Willen eine wichtige Rolle", begründete Jagland die Entscheidung. Das Komitee habe schon zuvor mit zahlreichen Ehrungen den Bedarf unterstrichen, Nuklearwaffen zu vernichten. "Mit diesem Preis an die OPCW will das Komitee zur Zerstörung von Chemiewaffen beitragen."
Bislang hat die Organisation 189 Mitgliedsstaaten. Syrien soll ihr am kommenden Montag als 190. Staat beitreten. Derzeit sind Kontrolleure der OPCW in Syrien unterwegs, um Waffenstandorte zu überprüfen und die Vernichtung des Arsenals einzuleiten.
"Aktuelle Ereignisse in Syrien, wo Chemiewaffen erneut genutzt wurden, haben das Bedürfnis unterstrichen, die Bemühungen, solche Waffen zu zerstören, zu erhöhen", sagte Jagland.
Mitfavoritin Malala geht leer aus
Der Generaldirektor der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen hat den Friedensnobelpreis als "extrem wichtige" Stütze für seine Mitarbeiter bei ihrem Einsatz in Syrien gewertet. "Ich fühle mich sehr geehrt", sagte Ahmet Üzümcü im norwegischen Rundfunk. Er betrachte den Preis als eine Bestätigung für den Beitrag, den seine Organisation in den vergangenen 16 Jahren zum Frieden geleistet habe. "Ich sehe ihn auch als eine Anerkennung der Bemühungen unserer Mitarbeiter, die jetzt in Syrien sind, und die sehr mutige Anstrengungen unternehmen, um ihre Aufgabe zu erfüllen."
Glückwünsche gab es auch vom letztjährigen Gewinner. Der Preis sei eine Anerkennung für die wichtige Rolle der Organisation, erklärte EU-Kommissions-Präsident José Manuel Barroso. Die OPCW sei in Syrien mit einer beispiellosen Aufgabe konfrontiert. Bundesaußenminister Guido Westerwelle sagte: "Dieser Friedensnobelpreis wird der Abrüstung weltweit neuen Schub verleihen." Der FDP-Politiker sprach von einer "Ermutigung für alle auf der Welt, die sich für ein Verbot und die Nichtweiterverbreitung von Massenvernichtungswaffen einsetzen".
Der einflussreiche russische Außenpolitiker Alexej Puschkow kritisierte dagegen via Twitter: "Der Friedensnobelpreis ist zu einem Vorschuss verkommen: Zuerst an (US-Präsident Barack) Obama für schöne Reden, aber nicht für Taten, und nun für die OPCW, die ihre Arbeit in Syrien erst begonnen hat."
Als eine große Favoritin für den Preis hatte in diesem Jahr unter anderem die 16 Jahre alte Malala gegolten, die sich in ihrer Heimat Pakistan gegen die Taliban für das Recht von Frauen und Mädchen auf Bildung einsetzt, unter anderem als Bloggerin. Mehrere Politiker hatten sich für eine Preisverleihung an das Mädchen stark gemacht. Sie selbst hatte sich aber bescheiden gegeben: "Das wäre eine große, große Ehre für mich. Ich glaube aber nicht, dass ich diesen Preis verdient habe. Bis dahin müsste ich noch viel mehr arbeiten."
Der Friedensnobelpreis ist der einzige Nobelpreis, der nicht im schwedischen Stockholm, sondern in Oslo von einem Nobelkomitee aus fünf Parteienvertretern vergeben wird. Nach dem Testament Alfred Nobels (1833-1896) soll er an denjenigen gehen, der im vorausgegangenen Jahr am meisten für den Frieden geleistet hat. Feierlich überreicht wird der Preis am 10. Dezember, dem Todestag Alfred Nobels, ebenfalls in der norwegischen Hauptstadt.