27 Flüchtlinge nach Afghanistan abgeschoben - zwei davon sind Gefährder
Straftäter und Asylbewerber müssen zurück nach Kabul
Deutschland schickt 27 afghanische Flüchtlinge zurück nach Kabul - die größte Gruppe seit Langem. Bei den Passagieren handelt es sich laut Bundesinnenminister Thomas de Mazière (CDU) um Straftäter und Asylbewerber, die sich geweigert haben, ihre Identität klären zu lassen. Ebenfalls mit an Bord: Zwei Gefährder. Ihnen trauen die Behörden terroristische Straftaten zu. Doch offenbar landeten auch Menschen in der Maschine, auf die keine der Kategorien zutrifft.
Auch ein Asylbewerber mit Ausbildungsplatz im Abschiebeflieger?
Um kurz nach 8 Uhr Ortszeit landete die Maschine in Kabul. Dort gab es keine besonderen Maßnahmen. "Hier ist niemand der Polizei übergeben worden", sagte der Leiter der Beobachtungsgruppe im Flüchtlingsministerium, Faisurrahman Chadam. "Wir fertigen die Passagiere ab wie üblich. Sie gehen alle nach Hause." Was den Gefährdern genau vorgeworfen wird, ist unklar.
Nach einem massiven Bombenanschlag vor der deutschen Botschaft in Kabul im Mai hatten Bund und Länder Abschiebungen auf Straftäter, Gefährder und sogenannte Identitätstäuscher beschränkt. Doch das galt für den Flug am Mittwoch offenbar nur bedingt: Auf der Liste der Abschiebekandidaten standen nach Auskunft von Flüchtlingsaktivisten und Anwälten mindestens drei junge Männer, die in keine der drei Kategorien gehörten. Unter ihnen ein junger Mann, der sogar aus der Ausbildung in Bayern heraus abgeschoben wurde.
Der Bayerische Flüchtlingsrat reagierte darauf mit völligem Unverständnis und wirft dem bayerischen Innenminister Joachim Herrmann (CSU) vor, sein Wort gebrochen zu haben. Im Herbst 2016 habe er versichert, dass aus Schule und Berufsausbildung nur in extremen Ausnahmefällen abgeschoben werden soll. "Wenn der bayerische Innenminister von extremen Ausnahmefällen spricht, und die Ausländerbehörden dann beliebig Auszubildende auf die Abschiebeliste setzen können, dann hat der Innenminister entweder seine Behörden nicht im Griff oder aber sein Wort [...] ist nichts wert. Wir erwarten hier eine Klarstellung“, heißt es in einer Pressemitteilung.
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Asylanwältin beklagt bei Abschiebungen Verfahrensfehler
Die Asylanwältin Myrsini Laaser beklagte Mittwochnacht Verfahrensfehler. Ein Eilantrag gegen die Abschiebung eines anderen Mandaten sei vom Verwaltungsgericht München schon abgelehnt worden, während sie noch dabei gewesen sei, Unterlagen dorthin zu faxen. Der Großteil der Gruppe soll aus Bayern kommen, einer aus Hessen.
Auch vier Männer aus Hamburg, vier aus Baden-Württemberg, einer aus Rheinland-Pfalz, einer aus Sachsen und möglicherweise einer aus Nordrhein-Westfalen sollen zunächst auf der Liste gestanden haben. In Kabul soll geprüft werden, ob es Eilentscheidungen gegen die Abschiebungen gibt - diese Passagiere können dann zurückkehren.
Am Frankfurter Flughafen protestierten rund 500 Aktivisten gegen die Maßnahme. Sie hielten Plakate mit der Aufschrift "Kein Mensch ist illegal" und riefen in Sprechchören "Um Europa keine Mauer, Bleiberecht für alle und auf Dauer".
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Auch nach Pakistan wurden Asylbewerber zurückgeflogen
Laut 'Bild' sollen in den Akten der Straftäter Sexualdelikte wie Vergewaltigung, sexueller Kindesmissbrauch und schwerer sexueller Missbrauch stehen. Hinzu kämen Diebstals-, Gewalt- und Totschlagsdelikte.
Es ist die achte Sammelabschiebung seit Dezember 2016. Mit den ersten sieben Flügen hatte die Bundesregierung nach offiziellen Angaben 128 zumeist junge Männer nach Afghanistan zurückfliegen lassen. Abschiebungen dorthin sind umstritten, weil sich in Afghanistan der Konflikt zwischen Regierung und islamistischen Taliban drastisch verschärft. Es gibt mittlerweile landesweit Gefechte und Anschläge.
Doch nicht nur nach Afghanistan schiebt Deutschland Flüchtlinge ab. Laut Flugsicherheitsbehörde und dem Immigrationsbüro der pakistanischen Bundeskriminalpolizei brachte bereits am Dienstagabend eine Chartermaschine 28 abgelehnte pakistanische Asylbewerber zurück in ihre Heimat. 16 der Männer sind abgelehnte Asylbewerber aus Deutschland, andere sind laut pakistanischen Quellen in Tschechien und Österreich mit falschen Papieren festgenommen worden, als sie versucht hatten, nach Deutschland zu kommen. Alle seien zunächst festgenommen und verhört worden. Einige Verhöre dauerten noch an, sagte ein namentlich nicht genannter Mitarbeiter. "Wir werden mithilfe dieser Informationen unsere Operationen gegen Menschenschmuggler ausweiten." Unionspolitiker wollen auch Abschiebungen nach Syrien wieder erlauben.